Präparandie Sinzig

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Sinzig - Heinz Grates (272).jpg
Das Gebäude im Frühjahr 2010
Der Haupteingang zum Gebäude der ehemaligen Präparandie.
Die Ost-Fassade vor der Sanierung
Die Südseite vor der Sanierung
Eines der Fenster im Erdgeschoss vor der Sanierung
Praeparandie 5.jpg

In den Jahren von 1905 bis 1921 gab es in Sinzig eine Präparandie, also eine Einrichtung, in der angehende Lehrer auf ihr Studium an Lehrerseminaren vorbereitet wurden. Zu diesem Zweck ist 1904/05 das Gebäude an der Lindenstraße 3 gebaut worden, das von 1936 bis 1941 als Rathaus der Stadt Sinzig und das heute als Dienstleistungszentrum dient.


Standort[Bearbeiten]

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Chronik[Bearbeiten]

Bereits 1875 gab es eine Möglichkeit, in Sinzig eine „Lehrer-Präparanden-Anstalt“ zu eröffnen. Am 17. Juni 1875 wurde sie jedoch von den Sinziger Stadtverordneten abgelehnt, ohne dass im Protokollbuch des Rates etwas über die Beweggründe dieser Entscheidung festgehalten wurde. Am 28. Dezember 1891 stand die Errichtung einer Präparandenanstalt in Sinzig erneut auf der Tagesordnung. Bürgermeister Alfred Ott berichtete von Verhandlungen, betonte die wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Anstalt für die Stadt und wies auf die Zuschüsse hin, die von anderen Gemeinden zur Erlangung und Erhaltung solcher Anstalten gegeben würden. Diesmal zeigten sich die Stadtverordneten aufgeschlossener, forderten aber zunächst genaue Angaben über Größe, Ausstattung und Kosten des zu errichtenden Anstaltsgebäudes.

Im Jahre 1904 kam es dann doch zur Errichtung der Lehrer-Präparanden-Anstalt. In Lehrer-Präparandien vollzog sich vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein die unterste Stufe der Volksschullehrerausbildung. Weil die meisten Volksschullehrer damals kein Studium im heutigen Sinn absolviert hatten, war nach der Volks- oder Mittelschule für angehende Lehrer zunächst der Besuch einer Vorbereitungsschule, einer Lehrerpräparandie, notwendig. Anschließend konnte an Lehrerseminaren die theoretische Ausbildung abgeschlossen werden. Am 3. Juni 1904 wurde die sogenannte "Präparandie" zunächst provisorisch im "Roth'schen Haus" am Markt eröffnet. Noch im gleichen Jahr, am 13. September 1904, begann die Stadt an der Verlängerung der Lindenstraße mit dem Bau eines neuen Schulgebäudes. In der zweiten Dezemberhälfte 1905 wurde das Haus in Benutzung genommen und am 13. Januar 1906 eingeweiht. Von 1910 bis 1914 hatte die Präparandie jeweils drei Klassen mit etwa 100 Schülern.[1]

Infolge einer Umstellung in der Lehrerausbildung wurde die Anstalt im Jahr 1921 geschlossen.[2]

Die evangelische Gemeinde feierte von 1907 an bis zur Schließung der Anstalt 1921 in der Aula des Präparandiegebäudes ihre Gottesdienste.[3]

Weil auf dem Ausbildungsprogramm der Lehrer-Präparandie auch das Fach Sport stand, wurde kurz nach der Fertigstellung des Hauptgebäudes auch eine Sporthalle gebaut. Das hatte erhebliche Auswirkungen auch auf das öffentliche Sportgeschehen in Sinzig. Bereits im Jahr nach Eröffnung der Lehrer-Präparandie wurde der Turnverein Sinzig 08 e.V. gegründet. Die TV-Mitglieder konnten für ihr Training die Sporthalle der Präparandie samt der darin befindlichen Sportgeräte nutzen. Durch ihre fußballerischen Aktivitäten weckten Lehrer und Schüler der Präparandie in Sinzig Interesse am Fußballsport. Das führte dazu, dass sich aufgrund eines Aufrufs in der Sinziger Zeitung im Mai 1910 im damaligen Café Zepp an der Mühlenbachstraße Sportbegeisterte versammelten und den Sportclub "Rhein-Ahr" Sinzig 1910 e.V. als Fußballverein gründeten.

1922 übernahmen die Maristen-Schulbrüder von der Stadt Sinzig das Präparandiegebäude und richteten darin ab 26. April 1922 eine Mittelschule für Knaben ein, die stufenweise auf- und ausgebaut wurde. Die Maristen-Schulbrüder sind eine heute noch bestehende Ordensgemeinschaft, die 1817 gegründet wurde mit dem Ziel der Bildung und Unterrichtung Jugendlicher in allen Formen der Bildungs- und Erziehungsarbeit.

Ab 1926 war mit der Schule auch ein Internat verbunden. Dafür wurden zwei Privathäuser angemietet. Als die Zahl der Internen auf beinahe 100 angestiegen war, machten die beengten Wohnverhältnisse eine grundlegende Veränderung notwendig: Im September 1929 zogen die Maristen-Schulbrüder nach Remagen um und eröffneten am 2. Januar 1930 in dem neuen, von der Stadt Remagen errichteten Schulgebäude an der Bergstraße die Maristenschule Remagen mit Internat.

Ab 15. Juni 1930 wurden einige Räume der Präparandie als Kindergarten genutzt. Aber schon gegen Ende 1930 zog er in das Pfarrheim an der Zehnthofstraße um. Ab 2. Mai 1933 diente die Präparandie als Lager für den freiwilligen Arbeitsdienst. Ab 1. August 1935 befand sich in einem Raum neben der Aula die Geschäftsstelle der Ortsgruppe Sinzig des Reichsluftschutzbundes (RLB); diese Geschäftsstelle gab es in Sinzig bereits ab 1934.[4]

Am 2. August 1935 fand im Präparandiegebäude die erste Musterung nach dem Ersten Weltkrieg statt. 1936 verlegte die Stadt- und Amtsverwaltung Sinzig ihre Diensträume vom Schul- und Stadthaus am Stadthausplatz, dem heutigen Kirchplatz, in das ehemalige Präparandiegebäude. Der nördlich der Einmündung der Barbarossastraße liegende Teil der Lindenstraße hieß in dieser Zeit „Rathausstraße“. Schon im Mai 1941 verließen die beide Verwaltungen die Präparandie wieder, um in das zuvor von der damaligen städtischen Sparkasse genutzte Gebäude an der Barbarossastraße 6 (heute Haus der offenen Tür) zu ziehen.[5]

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Präparandie beschädigt. Im Jahr 1941 sollte in Sinzig noch einmal eine Lehrer-Präparandenanstalt eingerichtet werden, doch diese bevorzugte die Räumlichkeiten des Zehnthofs. Nach dem Krieg ist das Gebäude für kurze Zeit von einer Tabak verarbeitenden Firma genutzt worden.[6]

Am 1. April 1950 zog die K. Andreas Jopp & Co. GmbH (Inhaber: Konrad Jopp) als Mieterin in das Haupt- und das Nebengebäude ein. Diese Firma, 1881 von Andreas Jopp in Zella-Mehlis in Südthüringen gegründet, fertigte ursprünglich Fahrrad- und Motorradteile. 1948 wurde der Firmensitz nach Sinzig verlegt, wo der Kern der heutigen Produktpalette, die Herstellung von Kettenrädern für die Industrie, kontinuierlich ausgebaut wurde. Altersbedingt verkaufte Konrad Jopp die Firma im Jahr 1993. Unter altem Namen, aber mit neuem Inhaber wurde der Firmensitz 1993 nach Rengsdorf verlegt. Von da an standen das Gebäude und das Nebengebäude leer und verfielen immer mehr. Sie wurden als Lagerstätte für Hilfsgüter genutzt, die später in notleidende Gebiete des früheren Jugoslawiens gebracht wurden.

Im Jahr 2005 wurde das Anwesen mit den aufstehenden Gebäuden von der Stadt Sinzig für fast 500.000 Euro – verkauft mit der Auflage, das historische Gebäude nicht abzureißen. Im Oktober 2008 hieß es, die von der Caritas im Auftrag des Kreises betriebene Kfz-Zulassungssstelle Sinzig und weitere Dienstleister zögen in die ehemalige Lehranstalt um. Nach der Entkernung des Gebäudes wurden neue Decken mit höherer Tragkraft, eine neue Treppe und ein Aufzugs eingebaut, bevor die ehemalige Präparandie seit Mitte 2010 als Dienstleistungszentrum in Betrieb ging. Die frühere Sporthalle, die später von der Firma Jopp als Produktionsstätte genutzt worden war, wurde abgerissen. Wo sie stand, wurden später der Penny-Markt Sinzig und ein Parkplatz gebaut.

Weitere Bilder[Bearbeiten]

Mediografie[Bearbeiten]

Bernd Linnarz: Ausschuss berät über Zukunft des Präparandie-Geländes in Sinzig, general-anzeiger-bonn.de vom 20. Januar 2007

Weblink[Bearbeiten]

Wikipedia: Präparandenanstalt

Fußnoten

  1. Quellen: u.a. Hans Josef Moeren: Die wechselvolle Geschichte des Präparandiegebäudes in der Sinziger Lindenstraße – Als Schule im Jahr 1904/1905 gebaut, jetzt als Dienstleistungszentrum genutzt, in: Blick aktuell – Sinzig Nr. 30/2015, Seite 14 f. – Hans Josef Moeren stellte seinen Artikel für das AW-Wiki zur Verfügung
  2. Quelle: Hans Kleinpass: Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969, in: Jürgen Haffke (Hrsg.)/Bernhard Koll (Hrsg.): Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute, Sinzig 1983, Seite 295, nach: Hans Josef Moeren: Die wechselvolle Geschichte des Präparandiegebäudes in der Sinziger Lindenstraße – Als Schule im Jahr 1904/1905 gebaut, jetzt als Dienstleistungszentrum genutzt, in: Blick aktuell – Sinzig Nr. 30/2015, Seite 14 f.
  3. Quelle: Hans Kleinpass: Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969, in: Jürgen Haffke (Hrsg.)/Bernhard Koll (Hrsg.): Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute, Sinzig 1983, Seite 311, nach: Hans Josef Moeren: Die wechselvolle Geschichte des Präparandiegebäudes in der Sinziger Lindenstraße – Als Schule im Jahr 1904/1905 gebaut, jetzt als Dienstleistungszentrum genutzt, in: Blick aktuell – Sinzig Nr. 30/2015, Seite 14 f.
  4. Quelle: Hans Kleinpass: Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969, in: Jürgen Haffke (Hrsg.)/Bernhard Koll (Hrsg.): Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute, Sinzig 1983, Seite 181, nach: Hans Josef Moeren: Die wechselvolle Geschichte des Präparandiegebäudes in der Sinziger Lindenstraße – Als Schule im Jahr 1904/1905 gebaut, jetzt als Dienstleistungszentrum genutzt, in: Blick aktuell – Sinzig Nr. 30/2015, Seite 14 f.
  5. Quelle: Hans Kleinpass: Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969, in: Jürgen Haffke (Hrsg.)/Bernhard Koll (Hrsg.): Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute, Sinzig 1983, Seite 214, nach: Hans Josef Moeren: Die wechselvolle Geschichte des Präparandiegebäudes in der Sinziger Lindenstraße – Als Schule im Jahr 1904/1905 gebaut, jetzt als Dienstleistungszentrum genutzt, in: Blick aktuell – Sinzig Nr. 30/2015, Seite 14 f.
  6. Quelle: Hans Kleinpass: Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969, in: Jürgen Haffke (Hrsg.)/Bernhard Koll (Hrsg.): Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute, Sinzig 1983, Seite 295, nach: Hans Josef Moeren: Die wechselvolle Geschichte des Präparandiegebäudes in der Sinziger Lindenstraße – Als Schule im Jahr 1904/1905 gebaut, jetzt als Dienstleistungszentrum genutzt, in: Blick aktuell – Sinzig Nr. 30/2015, Seite 14 f.