Mathilde Gantenberg

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Mathilde Gantenberg (* 25. Dezember 1889 in Bochum; † 29. Oktober 1975 in Trier), Mitglied der Zentrums-Partei, wurde 1933 aus politischen Gründen aus dem Schuldienst entlassen und verdingte sich zunächst als Bäuerin in Gönnersdorf. 1945 beteiligte sie sich an der Gründung der Christlich-Demokratischen Partei, des späteren CDU-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, in Trier. 1946/47 war sie Mitglied der Beratenden Landesversammlung und danach bis zu ihrer Mandatsniederlegung am 1. Oktober 1957 Abgeordnete des Rheinland-Pfälzischen Landtages. Von 1948 bis 1951 war Mathilde Gantenberg Staatssekretärin im Ministerium für Unterricht und Kultus des Landes Rheinland-Pfalz und damit die erste Frau im Staatssekretärsrang in Rheinland-Pfalz. Vom 8. Oktober 1956 bis 1961 gehörte sie dem Deutschen Bundestag an.


Vita[1][Bearbeiten]

Mathilde Gantenberg, am 25. Dezember 1889 in Bochum geboren, machte in Münster Abitur, bevor sie in Bonn und Münster Germanistik, Romanistik und Pädagogik studierte. 1918 wurde die gläubige Katholikin zum Dr. phil. Promoviert. Im Jahr darauf bestand sie das Staatsexamen für das Lehramt an höheren Schulen. 1921 folgte das Assessorenexamen an der Hilda-Schule für Mädchen in Koblenz, wo sie bis 1927 blieb. Nach einer kurzen Zeit an einer Aufbauschule in Xanten wechselte Gantenberg als Oberstudienrätin an das städtische Lyzeum in Bad Kreuznach, wo sie bis Herbst 1933 unter anderem für den Aufbau der Frauenoberschule verantwortlich war. Daneben war sie von 1928 bis 1933 in Bad Kreuznach Stadtverordnete der Zentrumspartei, für die sie als Gegnerin der NS-Ideologie auch Wahlkampf betrieb. Deshalb wurde sie von den Nazis aus dem Schuldienst entlassen.

Um weiterhin für den eigenen Lebensunterhalt sorgen zu können, erwarben Mathilde Gantenberg, ihre Schwester Emmy und zwei weitere Frauen im Jahr 1933 den oberhalb von Gönnersdorf gelegenen Frauenbergerhof. In ihren Lebenserinnerungen berichtete Gantenberg viele Jahre später über ihre ersten Eindrücke von dem Anwesen, das der Essener Fürstäbtissin Kunigunde von Sachsen-Wettin bis zur Säkularisation als Sommersitz gedient hatte: „Der Frauenberger Hof war ein unglaublich verkommener Besitz. Das Haus verwahrlost, Garten und Felder kaum bestellt, verunkrautet und seit Jahren nicht gedüngt.“ Als die Frauen dort Anfang März 1934 dort einzogen, erregte das in Gönnersdorf großes Aufsehen. Grund dafür: Weil der Weg aus dem Vinxtbachtal zu dem auf 251 Metern Höhe stehenden Gehöft in desolatem Zustand war, musste der mit dem Umzug beauftragte Spediteur den Hausrat der Damen samt Möbeln, Büchern und Schreibmaschinen in Gönnersdorf auf kleine Karren umladen. Das blieb im Dorf nicht unbemerkt.

Einnahmen erzielten die Frauen aus dem Verkauf von Kirschen und anderem Obst und mit Schafen, deren Milch, Wolle und Lämmer sie verkauften. Um die Äpfel von den umliegenden Streuobstwiesen verarbeiten zu können, wollte Mathilde Gantenberg eine Safterei einrichten - wegen der besseren Verkehrsanbindung nicht auf dem Hof, sondern in einem leerstehenden Gebäude am Niederbreisiger Bahnhof. Außerdem absolvierte sie in Bad Kreuznach einen Laborkurs. Weil es aber an dem Betriebskapital mangelte, das zur Anschaffung von Tanks, Filtern und Füllanlagen nötig gewesen wäre, wurde aus diesen Plänen nichts. Stattdessen verlegte sich Gantenberg darauf, mit Hilfe von Werbebriefen, aber ohne finanzielles Risiko andernorts produzierte Obstsäfte zu vertreiben.

Neben der Landwirtschaft betrieben die Frauen ab Mai 1934 eine kleine Gaststätte, für die der Hof eine Konzession besaß. Wegen „Differenzen, unterschiedlichen Werteauffassungen, Lebens- und Arbeitsvorstellungen“ beendeten die vier Frauen ihre Lebensgemeinschaft aber schon Ende 1934 wieder. Mathilde und Emmy Gantenberg übernahmen, zusammen mit vier Morgen Land, das Altenteil des Hofes, ein kleines Bruchsteinhaus. Das bauten sie um und aus, um im Sommer bis zu sieben Gäste aufnehmen zu können. Die Vollpension kostete damals zwischen 3,50 und 4,50 Reichsmark pro Tag. Zu den Gästen dort gehörte Carl Wilhelm Wirtz, Astronomie-Professor an der Universität Kiel und Entdecker des Andromeda-Nebels, der am Frauenbergerhof unter dem Sternenhimmel spontan Vorträge zu Themen aus seinem Fachgebiet hielt. Während sich Emmy Gantenberg ganz der Arbeit auf dem Frauenbergerhof widmete, übernahm Mathilde andernorts Aushilfsstellen, etwa in einem Jungeninternat in Garmisch-Partenkirchen. 1936 arbeitete sie mehrere Monate in einem englischen Internat in der Schweiz, in dem auch jüdische Kinder aus Deutschland auf die Auswanderung vorbereitet wurden.

Dankbar erinnerte sich Mathilde Gantenberg später an die Hilfsbereitschaft der Bewohner von Gönnersdorf - beim Heumachen etwa und beim Transport von Frischwasser. Das war auf dem Hof nämlich nur über eine Zisterne verfügbar - bis eine teure Brunnenbohrung Abhilfe schuf. Den Wassertransport beschrieb sie folgendermaßen: „Wir stellten zwei große Wasserkrüge ans Tor und jeder Bauer, der von seinen Feldern oberhalb herunterfuhr, nahm sie mit, machte sie unten an der Pumpe voll, von wo der erste Herauffahrende sie mitnahm und an unser Tor stellte.“

Als Gantenberg später Bundestagsabgeordnete war, dankte sie den Gönnersdorfern ihre Hilfe, indem sie dafür sorgte, dass Gönnersdorf aus landwirtschaftlichen Bundesmittel Geld für den Bau einer Wasserleitung bekam. Ihre Schwester Emmy brachte den Gönnersdorfern „das Eindosen von Fleisch und Wurst“ bei, und sie wurde von ihnen auch bei Hausschlachtungen gerne zu Rate gezogen.

Trotzdem entschieden sich die Schwestern noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, ihren Teil des Hofes zu verkaufen. Gantenbergs begründete: „Die ausschließlich körperliche Arbeit wurde mir nicht nur zu schwer, sondern auf die Dauer auch zu unbefriedigend.“ Trotzdem schrieb sie in ihren Lebenserinnerungen: „Der Abschied vom Frauenberger Hof ist uns nicht leicht gefallen. Es ist ein wunderschöner Flecken dieser Erde.“ Immerhin hinterließ sie ein kleines Abschiedgeschenk: Für das Jahrbuch des Kreises Ahrweiler von 1941 verfasste sie einen Beitrag zu Gönnersdorf, einen kleinen kulturgeschichtlichen Abriss zur Geschichte dieses Vinxtbachtal-Dorfes.

Veröffentlichungen[Bearbeiten]

  • Mathilde Gantenberg: Die Frauenoberschule, ein neuer Weg weiblicher Bildung, in: Hauswirtschaftliche Jahrbücher. Zeitschrift für Hauswirtschaftswissenschaft, 6. Jg. Heft 1 (Februar) 1933, S. 24–26
  • Mathilde Gantenberg: Mädchenbildung, in: Neue Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung, 8. Jg. Heft 6 (Oktober) 1932
  • Mathilde Gantenberg: Gönnersdorf, in: 'Jahrbuch des Kreises Ahrweiler 1940, S. 108 f.
  • Für ihre Familienangehörigen verfasste Dr. Mathilde Gantenberg in den Jahren 1962 und 1965 eine umfangreiche Familienchronik, in der sie auch auf ihre Gönnersdorfer Jahre eingeht. Ein Typoskript der Chronik befindet sich im Nachlass der Politikerin im Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ADCP) in St. Augustin.

Siehe auch[Bearbeiten]

  • Georg Habighorst aus Ahrweiler war ebenfalls Mitglied der Beratenden Landesversammlung und wurde ebenfalls in den ersten rheinland-pfälzischen Landtag gewählt.
  • Friederike Nadig, die von 1936 bis 1945 als Gesundheitsfürsorgerin des Staatlichen Gesundheitsamtes des Kreises Ahrweiler gearbeitet hatte, gehörte nach dem Krieg als eine von vier Frauen der verfassungsgebenden Versammlung des Parlamentarischen Rates an und war am Entwurf für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beteiligt.

Mediografie[Bearbeiten]

  • Andreas Grau: Mathilde Gantenberg (1889-1975), in: Günter Buchstab/Brigitte Kaff/Hans-Otto Kleinmann: Christliche Demokraten gegen Hitler, 2004, ISBN 3-451-20805-9
  • Leonhard Janta: Dr. Mathilde Ganteberg (1889–1975) in Bad Kreuznach, in: Nahe-Kalender 2012 - Jahrbuch des Kreises Bad Kreuznach, S. 181–185
  • Leonhard Janta: Dr. Mathilde Gantenberg (1889-1975) in Gönnersdorf. Lehrerin, Landwirtin, Landespolitikerin, in: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2012, S. 200-2003 (pdf/4 Seiten)
  • Denise Lindsay: Mathilde Gantenberg, kas.de, ohne Angabe eines Veröffentlichungsdatums
  • Hedwig Brüchert: Dr. Mathilde Gantenberg (1889–1975), in: Rheinland-Pfälzerinnen. Frauen in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur in den Anfangsjahren des Landes Rheinland-Pfalz', bearbeitet von Hedwig Brüchert, hg. im Auftrag der Kommission des Landtages bei der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz von Heinz-Günther Borck unter Mitarbeit von Beate Dorfey (Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz 123), Mainz 2001, S. 141–144
  • Andreas Grau: Mathilde Gantenberg (1889–1975). Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz, in: Günter Buchstab/Brigitte Kaff/Hans Otto Kleinmann (Hrsg.): Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union, Freiburg 2004, S. 205–208
  • Monika Storm: Frauen der ersten Stunde. Rheinland-pfälzische Landtagspolitikerinnen 1946–1955, in: Blätter zum Landtag 3, 2007, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz
  • Anton Simons: Rheinland-Pfalz wird 75: Langjährige Gönnersdorferin arbeitete an Verfassung mit, ga.de, 12. April 2022

Weblink[Bearbeiten]

Wikipedia: Mathilde Gantenberg

Fußnoten

  1. Quelle: Leonhard Janta: Dr. Mathilde Gantenberg (1889-1975) in Gönnersdorf. Lehrerin, Landwirtin, Landespolitikerin, in: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2012, S. 200-2003 (pdf/4 Seiten)