5. Reichswaisen­haus zu Niederbreisig am Rhein

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Das ehemalige 5. Reichswaisen­haus zu Niederbreisig am Rhein an der Zehnerstraße 73 in Bad Breisig wurde ab 1904 erbaut. Als fünftes Haus seiner Art im Deutschen Reich galt das eindrucksvolle Gebäude als besondere Errungenschaft für die sonst mehr ländlich geprägte Ortschaft. Am 9. Juli 1905 wurde es feierlich eröffnet. Träger war der "Verband Rheinland der Deutschen Reichsfechtschule, Wohltätigkeitsverein zum Zwecke der Waisenpflege e.V. Köln". Für viele Jahre fanden elternlose Kinder und Jugendliche dort ein Zuhause. Heute erschallen keine fröhlichen Kinderstimmen mehr in den Fluren und Räumen. Nach unterschiedlichsten Verwendungen dient es seit einigen Jahren als Geschäftshaus und beherbergt neben verschiedenen Arztpraxen und einem Partnervermittlungsinstitut auch Unternehmen im PC-Bereich, für Heizung- und Sanitär sowie im medizintechnischen Bereich.


Standort[Bearbeiten]

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Chronik[Bearbeiten]

23. November 1888 Zusammenschluss der Rheinischen Fechtschulen zum Verband Rheinland

Im Jahr 1903 kaufen die Rheinischen Fechtschulen ein 83 Hektar großes Grundstück in Niederbreisig, um dort ein Waisenhaus zu bauen. Das Wort "Fechten" stand dabei für das Sammeln von Geld für soziale Zwecke. Am 27. April 1904 findet die feierliche Grundsteinlegung zum Bau des Hauses statt, das am 9. Juli des Folgejahres 1905 feierlich eingeweiht wurde. Am 1. Oktober zogen die ersten 25 Jungen und Mädchen in den roten Backsteinbau ein. Im gleichen Jahr wurden landwirtschaftliche Gebäude gebaut.

1937/38 Verband Rheinland wurde durch Dekret der NSDAP aufgelöst und sollte in die Nationalsozialistische Volksfürsorge übergeleitet werden, die Liquidation wurde aber nie beendet.

Während der Nazizeit wurde das „Reichsjugendheim“, wie es damals genannt wurde, von einem Herrn Hühmann geleitet, der zugleich Standortführer der Hitlerjugend war und über den Walter Fabritius schrieb:

Er war unsere absolute Respektsperson. Er lehrte uns liebevoll anständigen Umgang mit Andersdenkenden, er achtete auf andachtsvolles Verhalten in der Kirche, er verbot sogar das Trage von HJ-Uniformen und -Symbolen im Gotteshaus, kurzum: Er war einer jener charismatischen Pädagogen, die auch ohne großes Spektakel Wirkung erzeugen und überzeugen. Unsere Generation hat ihn verehrt. Mit Ende des Krieges verschwand er aus Niederbreisig und damit aus unserer Wahrnehmung.[1]

März 1945 Amerikaner überqueren den Rhein, Heim wird beschlagnahmt und später den Franzosen übergeben.

1949 das Heim wird nach langen Verhandlungen frei gegeben - Im gleichen Jahr geht das Heim mit 70 Kindern (davon 55 aus Köln) wieder in Betrieb, Heimleiter: Friedrich Geiger, Landwirtschaft: Herr Ockenfels

18. November 1949 neuer Vereinsname "Rheinischer Waisenfürsorgeverein"

1953 Probleme mit der Heimleitung und Gefährdung des Wohles der Kinder, Abzug der Kölner Kinder und Verlegung in Kölner Heime

1954 Bezirksregierung Koblenz besteht auf Abberufung des Heimleiters Geiger, Nachfolger Max Melech, Auflagen der Regierung: Umbauten, Renovierungen und Anschaffung von Einrichtungsgegenständen sowie Behebung technischer Mängel

1957 Melech wird von seinen Aufgaben entbunden. Die "Nothelfergemeinschaft der Freunde e.V." übernimmt das Haus. Ein Jahr lang wird es provisorsich geleitet.

1958 Als Nachfolger von Max Melech wird Dr. Willi Hammelrath 1958 zusammen mit seiner Ehefrau Margret Leiter des Waisenhauses. Zunächst gelingt es ihm, mit Hilfe einiger überaus engagierter MitarbeiterInnen – etliche davon sind ehrenamtlich und unentgeltlich tätig – ein pädagogisch verantwortbares Klima zu schaffen und die Lebensbedingungen der Kinder, die meisten von ihnen sog. „Sozialwaisen“, akzeptabel zu gestalten. Es kam aber sehr bald zu unerträglichen Spannungen mit dem Generalsekretär der Trägerorganisation (Paul Krahé), in der Dr. Hammelrath zuvor eine herausragende Rolle gespielt hatte. Bereits nach einem Jahr führte dies zum Ende der Tätigkeit Dr. Hammelraths, eines sehr verdienten und bekannten Pädagogen.

1960 zunehmend ungünstige Umstände

30. Juni 1964 Schließung des Heims

1966 Verkauf an Willi Scheffler. Die Rhein-Zeitung berichtete am 25. Oktober 2004:

Auf dem Dachboden fanden Scheffler und seine Frau kistenweise Briefe und Postkarten der Jungen und Mädchen, in denen sie sich über harte Strafen, schlechtes Essen und die Heimleitung beschwerten. - Traurige Zeugnisse, die einst von der Heimleitung abgefangen und versteckt wurden. Diese Zeitdokumente sind unwiederbringlich verloren. Der neue Eigentümer hat sie alle weggeworfen. "Es war soviel Leid darin", begründet Scheffler seinen Entschluss.

Scheffler nutzte das Gebäude als Lagerhaus für Waren, die für das Einkaufszentrum "Goldenen Meile" bestimmt waren; aufgrund zahlloser Diebstähle in den 1980 Jahren als Dependance der Bundeswehr zur Lagerung von Gesundheitspapieren der Bundeswehrsoldaten genutzt, es folgte in den 1990er Jahren der Um- und Ausbau zum Geschäftshaus

Veröffentlichungen[Bearbeiten]

Fünftes Deutsches Reichswaisenhaus (Niederbreisig): Grundgesetz vom 1. Oktober 1905, 19 Seiten, 1905

Mediografie[Bearbeiten]

Fußnoten

  1. Quelle: Walter Fabritius: Die alten Breisiger – Plaudereien aus der Geschichte der Quellenstadt in 53 Aufsätzen, mit zahlreichen Illustrationen von Karl-Heinz Ziebarth, 208 Seiten, Eigenverlag 2007, S. 181