Altes Zunfthaus Ahrweiler

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Im südwestlichen Teil des Erdgeschosses hat sich eine Kölner Decke aus der Bauzeit erhalten. Sie wurde nach dem Ahr-Hochwasser vom 14./15. Juli 2021 vom Mobilen Team Fluthilfe der Jugendbauhütte Rheinland der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in der Trägerschaft der Internationalen Jugenddienste (ijgd) wieder hergerichtet.
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Der Zunfthaussaal links wurde im Frühjahr 2022 abgerissen.
Infotafel
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Das ehemalige Zunfthaus an der Oberhutstraße 34 in Ahrweiler steht unter Denkmalschutz und gilt als Baudenkmal von überregionaler Bedeutung. Dieses giebelständige zweigeschossige Fachwerkhaus, in dessen Erdgeschoss sich die Werkstatt der Goldschmiedemeisterin Petra Hagenau befindet, wurde vor 1775 errichtet und war damit mehr als 100 Jahre älter als der 2022 abgerissene Zunfthaussaal. Das Erdgeschoss ist verputzt. Ober- und Dachgeschoss kragen jeweils leicht vor und werden von einem größtenteils freiliegenden Zierfachwerk geschmückt, das es in dieser Zusammensetzung an keiner anderen Stelle in Ahrweiler gibt. Es besteht aus krummen Streben mit und ohne Nasen, einem Andreaskreuz und einem auf die Spitze gestellten Quadraten aus Winkelstreben, wie einer Tafel zu entnehmen ist, die der Heimatverein „Alt-Ahrweiler“ an der Fassade angebracht hat. Im Jahr 2007 wurde das Gebäude, dessen Parterre viele Jahre lang als Gaststätte diente, aufwendig renoviert. Das Ahr-Hochwasser vom 14./15. Juli 2021 hat eine neuerliche Renovierung nötig gemacht. Im südwestlichen Teil des Erdgeschosses hat sich im Inneren eine Kölner Decke aus der Bauzeit erhalten. Sie wurde nach dem Hochwasser vom Mobilen Team Fluthilfe der Jugendbauhütte Rheinland der DSD in der Trägerschaft der Internationalen Jugenddienste (ijgd) wieder hergerichtet.


Anschrift und Standort[Bearbeiten]

Oberhutstraße 34

53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler (Stadtteil Ahrweiler)

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Eigentümer[Bearbeiten]

Frank & Hagenau GbR Ahrweiler

Chronik[Bearbeiten]

Ein Wilhelm Geller ließ das Gebäude einst als Teil eines Bauerngehöfts errichten, bevor es zu einer Herberge für Handwerksgesellen auf der Walz umfunktioniert und nach Adolph Kolping benannt wurde. Der Katholische Gesellenverein Ahrweiler, so hieß die Kolpingsfamilie damals, hatte das Haus gekauft, um eine eigene Versammlungs- und Begegnungsstäte zu besitzen. In den ersten 20 Jahren standen dem 1861 gegründeten Verein nämlich keine eigenen Räumlichkeiten zur Verfügung, weshalb sich die Mitglieder vor allem in Gaststätten trafen. Als im Jahr 1891 der Grundstein für den Saalanbau gelegt wurde, existierten in Deutschland insgesamt 610 Gesellenvereine. Weltweit waren es insgesamt 791; ihre Mitgliederzahl belief sich auf insgesamt etwa 75.000. Zu den größten Vereinen zählte der im nahen Köln. Rund 1000 Gesellen und 4000 Meister gehörten ihm an. Das Hospitium in Köln nahm jährlich etwa 3000 durchreisende Gesellen auf. Neben ihrer Ausbildung in Handwerksbetrieben wurden die jungen Männer in den Kolpingheimen in sämtlichen Elementarfächern sowie in Religion und Gesang unterrichtet.

Um Mieteinnahmen zu erzielen, verpachtete der Verein die Gaststätte. Die beiden Zimmer im Obergeschoss des Kolpinghauses dienten den jeweiligen Pächtern als Wohnung. Zwei kleine Räume im Dachgeschoss waren anfangs als Unterkünfte für Wandergesellen vorgesehen. Als die „Gesellenmutter Tant Wynen" von 1919 bis 1929 Pächterin war, schickte sie Wandergesellen aber auch zur gegenüber in der Oberhut wohnenden Familie Bier. Die Übernachtung kostete dort eine Reichsmark, von der die Gesellenmutter einen Groschen erhielt. Verköstigt wurden die Gesellen dann wieder im Kolpinghaus - meistens mit einem Eintopfgericht.

Kolpinghaus und Saal sollten, ganz im Sinne von Adolph Kolping, vor allem drei Zwecken dienen, wie Karl Saal im Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler für das Jahr 2004 schrieb: Sie sollten wandernden Gesellen als Heim und den Mitgliedern des Trägervereins als Begegnungsstätte dienen. Außerdem sollten jungen Handwerkern und Kaufleuten in den Räumen Bildungsangebote gemacht werden. Denn die zunehmende Industrialisierung brachte es mit sich, dass viele junge Handwerksgesellen und Industriearbeiter ihr Zuhause und ihr soziales Umfeld verloren. Insbesondere die wandernden Handwerksgesellen, die nach ihrer Lehre drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft gehen mussten, waren nicht selten auf sich allein gestellt. „Da sie in der Regel kaum über finanzielle Mittel verfügten, waren sie häufig auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen von ihren Mitmenschen und den Handwerksmeistern ausgeliefert“, schreibt Saal.

Nachbarn des Kolpinghauses berichteten aber, dass das Haus lediglich von einzelnen Wandergesellen aufgesucht wurde. „Die geringe Nutzung ist wohl dadurch zu erklären, dass das Ahrtal aufgrund der geringen Arbeitsmöglichkeiten keine bevorzugte Wanderroute für Arbeit suchende Gesellen darstellte“, vermutet Karl Saal. Der Festsaal aber wurde von Lehrlingen, Gesellen und Meistern von vor Ort rege als Freizeit- und Begegnungsstätte genutzt.

Weltwirtschaftskrise, Repressalien und Schikanen durch die Nationalsozialisten und der Weltkrieg führten dann dazu, dass die Kolpingfamilie Haus und Saal an den Turn- und Sportverein Ahrweiler (TuS) verkaufte. Der TuS wiederum sah es nach Kriegsende als Ehrensache an, die Immobilie am 6. Februar 1946 wieder auf die St.-Laurentius-Pfarrei zu übertragen.

Die heftigen Bombenangriffe auf Ahrweiler gegen Ende des Zweiten Weltkriegs hatten Kolpinghaus und Saal übrigens unzerstört überstanden - im Gegensatz zum Gasthof „Zu den vier Winden“ gegenüber, in dem während des Krieges zeitweise die Familie des Kölner Schriftstellers Heinrich Böll Zuflucht gesucht hatte. Heute dient der Standort des Gasthofs, der 1944 von einem Bombenvolltreffer vernichtet wurde, als Parkplatz.

Anfang 1957 forderte der Verband der Deutschen Kolpinghäuser das katholische Pfarramt auf, „das Haus nicht mehr als Kolpinghaus zu bezeichnen", weil die Kolpingsfamilie keinerlei Beziehung mehr zu dem Gebäude habe. Dieser Zustand sei untragbar. So wurde das Gebäude bald „Zunfthaus" oder „Zum Alten Zunfthaus" genannt.

Karl Saal schließt daraus, „dass das Gebäude nach dem Zweiter Weltkrieg nicht mehr als Kolpinghaus im eigentlichen Sinn, also als Anlaufstelle für wandernde Gesellen, genutzt wurde.“ Aber es habe der Ahrweiler Kolpingsfamilie weiterhin für Bildungsveranstaltungen und sonstige Zusammenkünfte gedient. Im Saal fanden auch kirchliche und weltliche Veranstaltungen statt, und die Kirchengemeinde als Eigentümerin investierte in die Gebäude, um sie in Ordnung zu halten. Bald aber sah sich die Kirchengemeinde finanziell überfordert, weshalb sie Gaststätte und Festsaal im Jahr 1977 an die Stadt verkaufte. Während der Saal, der Platz für bis zu 250 Personen bot, dem Rotweinstädtchen bis zur Fertigstellung des Bürgerzentrums am Markt im Jahr 2000 als „gute Stube“ diente, beherbergte das Ursprungsgebäude einige Jahre lang ein Feinschmecker-Lokal.

1999 erwarb der TuS die Gebäude erneut, um den Saal für Versammlungen und sportliche Aktivitäten zu nutzen. Das Gasthaus wurde vermietet, „wobei verschiedene Pächter leider nicht den an sie gestellten Erwartungen an Betriebs- und Wirtschaftsführung entsprachen“, berichtet Karl Saal.

Das Gebäude dient heute Wohnzwecken und wird als Goldschmiedeatelier genutzt. Das Ahr-Hochwasser vom 14./15. Juli 2021 machte vor diesem vor 1775 errichteten und letztmals im Jahr 2007 aufwendig sanierten Gebäude nicht Halt. Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) wird es deshalb im Frühling 2022 saniert. In dem zur Houverathsgasse hin gelegenen südwestlichen Teil des Erdgeschosses gibt es noch eine Kölner Decke aus der Bauzeit, die vom Mobilen Team Fluthilfe der Jugendbauhütte Rheinland der DSD wieder hergerichtet wird.

Weitere Fotos[Bearbeiten]

Ansichten von ca. 1940 (l.) und kurz vor dem Ahr-Hochwasser vom 14./15. Juli 2021

Mediografie[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]