Brunhilde Stürmer

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Brunhilde Stürmer (* 1943)[1] aus Niederzissen ist der „Motor“ der Erforschung jüdischen Lebens in Niederzissen und der Umgebung. Seit 1979 pflegt sie Briefkontakte und Freundschaften mit jüdischen Familien in den USA, Israel, Australien, England, Schweden, Mexico, den Niederlanden und Südafrika. Dass die Gemeinde Niederzissen die ehemalige Synagoge gekauft und saniert hat, ist auch Stürmers Engagement zu verdanken. Motiv ihres Engagements: Durch die Aufarbeitung der Geschichte will sie einen Beitrag dazu leisten, dass sich die schrecklichen Geschehnisse im Dritten Reich niemals wiederholen.


Brunhilde Stürmer (links) bei einer Führung über den Jüdischen Friedhof Niederzissen
Brunilde Stürmer (im lindgrünen Anorak) mit Willi Klapperich

Sonstiges[Bearbeiten]

Die Rhein-Zeitung portraitierte Brunhilde Stürmer in ihrer Ausgabe vom 4. Dezember 2012. Autorin Petra Ochs schrieb:

Die Heimatgeschichte hat die 69-Jährige schon immer interessiert. „Ich bin bei meiner Großmutter groß geworden. Da wurde immer viel von früher erzählt“, erklärt sie. Die Idee, eine Chronik über ihren Heimatort zu verfassen, kam Brunhilde Stürmer schon früh. Doch damals interessierten sie vor allem die alten Häuser – wie eben das Gebäude der ehemaligen Synagoge, das von ihren eigenen Verwandten zur Schmiede umgebaut worden war. ... Die Namen all jener Juden, die in Niederzissen geboren wurden oder dort geheiratet haben, kennt sie inzwischen alle. Doch nach wie vor interessiert sie vor allem das Schicksal hinter den Namen – oder zumindest ein Gesicht dazu.[2]

Auf ihrer Suche nach einer alten Fotografie der Synagoge wandte sie sich Ende der 1970er-Jahre an einen Holocaust-Überlebenden: Richard Berger, Abkömmling einer der größten jüdischen Familien in Niederzissen und Sohn des letzten Vorstehers der jüdischen Gemeinde Niederzissen. Er war der Verfolgung durch die Nazis in letzter Sekunde entgangen.

Brunhilde Stürmer zögerte lange, den in New York lebenden Berger mit ihrem Anliegen zu behelligen. Dann entschied sie sich zu schreiben - und bekam Antwort. Berger legte seinem Brief ein paar Originalfotos bei, die er bei seiner Flucht mitgenommen hatte. Brunhilde Stürmer und Richard Berger pflegten bis zu Bergers Tod freundschaftliche Kontakte. Seitdem hat Brunhilde Stürmer mit zahlreichen anderen Überlebenden oder ihren Nachkommen Kontakt aufgenommen. Eine davon ist Carrie Lewen, geborene Karoline Berger (* ca. 1915), die Schwester von Richard Berger.

Brunhilde Stürmer ist Mitglied im Vorstand des Kultur- und Heimatvereins Niederzissen e.V.. Sie leitet Führungen durch die Synagoge, und zusammen mit Gerd Friedt hat sie eine Dokumentation zum jüdischen Friedhof Niederzissen zusammengestellt. Auf ihre Recherchen verwendete sie bereits in jungen Jahren viel Zeit. Aber Ehemann Peter und ihre drei Kinder zogen immer mit.

Neben ihrem ehrenamtlichen Engagement arbeitete Brunhilde Stürmer - zwischenzeitlich (Stand: Dezember 2012) sechsfache Großmutter und einfache Ur-Oma - in einem Steuerberatungsbüro und erledigte Verwaltungsarbeiten für die Schreinerei ihres Mannes. Gelegentlich malt Brundhilde Stürmer; außerdem sang sie 20 Jahre im Kirchenchor mit. Auch im Kirchenvorstand war sie aktiv.

Im November 2017 wurde der Band von Brundhilde Stürmer und Brigitte Decker verfasste Band: Ein langer Weg über die Geschichte der jüdischen Familien in der früheren Synagogengemeinde Niederzissen veröffentlicht. „Grundlage des Buches sind die umfangreichen Forschungen von Brunhilde Stürmer, die seit den 1970er-Jahren auch längst verblasste Spuren des früheren jüdischen Lebens in Niederzissen und im Brohltal wieder sichtbar macht“, berichtete die Rhein-Zeitung anlässlich der Buchvorstellung. Dazu habe sich Stürmer „durch Archive gekämpft“ – in der Verbandsgemeinde Brohltal, im Landeshauptarchiv Koblenz, im Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt und im Institut der Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Daneben habe sie weltweit Kontakte zu Nachfahren Niederzissener Juden geknüpft. Im Bericht von RZ-Reporter Hans-Willi Kempenich hieß es weiter:

Brunhilde Stürmer wälzte Personenstandsakten, sie lernte, französische Akten zu lesen, führte ungezählte Gespräche mit Überlebenden, sammelte Anekdoten und Fotos und verschlang Literatur von anderen Heimatforschern.[3]

Kultur-Staatssekretär Salvatore Barbaro sagte bei der Buchvorstellung, das Engagement von Brunhilde Stürmer werde international wahrgenommen und gewürdigt. Deshalb werde Stürmer im Januar 2018 Obermayer German Jewish History Award ausgezeichnet.[4]

Auszeichnungen[Bearbeiten]

  • German Jewish History Award: Am 22. Januar 2018 wird Brunhilde Stürmer im Berliner Abgeordnetenhaus mit dem German Jewish History Awards ausgezeichnet. Zum 18. Mal werden dann Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland ausgezeichnet, die ehrenamtlich einen herausragenden Beitrag zur Bewahrung des Gedenkens an die jüdische Vergangenheit geleistet und Juden aus aller Welt auf der Suche nach ihren Wurzeln in Deutschland unterstützt haben. Brunhilde Stürmer recherchiere seit fast vier Jahrzehnten detaillierte Familiengeschichten der jüdischen Gemeinde von Niederzissen. Zudem habe sie die Grabsteine des alten jüdischen Friedhofs der Gemeinde katalogisiert und der Inschriften übersetzt. Über den Friedhof sie zusammen mit Gerd Friedt ein Buch veröffentlicht. Außerdem habe sie sich für die Wiederherstellung und Rekonstruktion der Niederzissener Synagoge engagiert. „Die Preisträger der Obermayer Awards haben gezeigt, welch wichtige Rolle die Juden für die deutsche Gesellschaft und Kultur spielten, bevor die Nazis sie auszulöschen versuchten“, sagt Dr. Judith H. Obermayer, Präsidentin der Obermayer Foundation. „Ihr unermüdliches ehrenamtliches Engagement trägt zur generationenübergreifenden und interkulturellen Versöhnung bei – und das in einer Zeit, da in Deutschland und weltweit düstere Stimmen Rassismus befördern und versuchen, die Menschen gegeneinander aufzuhetzen.“ Die German Jewish History Awards werden von der Obermayer-Stiftung (USA) verliehen. Die Auszeichnung wurde im Jahr 2000 von Dr. Arthur S. Obermayer und seiner Frau Dr. Judith H. Obermayer ins Leben gerufen.[5]
  • Für ihr herausragendes Engagement zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte der jüdischen Gemeinde in ihrem Heimatort wurde Brunhilde Stürmer von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Brunhilde Stürmer mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. „Mit Brunhilde Stürmer ehren wir einen Menschen mit einer großen Leidenschaft für die Aufarbeitung der Geschichte der Niederzissener Juden und dem Willen, dieses in die Gesellschaft zu tragen“, betonte Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, der die Auszeichnung im Juli 2019 in Mainz überreichte. „Brunhilde Stürmer hat durch ihre Erinnerungsarbeit einen bedeutenden Anteil an der Sensibilisierung für die Geschichte der jüdischen Gemeinde Niederzissen. Sie hat somit einen wichtigen Beitrag gegen das Vergessen geleistet. Ihre Arbeit ist daher zugleich eine Mahnung, dass sich die schrecklichen Geschehnisse im Dritten Reich niemals wiederholen dürfen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind niemals, nirgendwo auf der Welt zu irgendeiner Zeit zu rechtfertigen oder gar zu tolerieren“, unterstrich Wolf. Brunhilde Stürmer hat sich seit den 1970er-Jahren dafür engagiert, die Spuren der Geschichte der Juden in Niederzissen aufzuarbeiten. Ein ganz wesentliches Element ihrer Erinnerungsarbeit war neben einer gründlichen Quellenrecherche vor allem die Kontaktpflege mit Nachfahren der ehemaligen Niederzissener Juden, aus der zahlreiche Briefkontakte und Freundschaften entstanden sind. Unermüdlich habe Brunhilde Stürmer in Archiven des In- und Auslandes recherchiert und über Kontakte zu Überlebenden des Holocaust und deren Nachfahren in den USA, Israel, Australien, England, Schweden, Mexiko, Niederlande und Südafrika ein umfangreiches Wissen zusammengetragen, so der Kulturminister. Darüber hinaus hat sich Brunhilde Stürmer gemeinsam mit Bürgern aus Niederzissen für eine Sicherung der Grabinschriften des alten jüdischen Friedhofes, den Kauf des alten Synagogengebäudes durch die Gemeinde und die Errichtung einer Gedenkstätte und eines Museums eingesetzt. „Sie hatten maßgeblichen Anteil daran, dass die Synagoge wieder als Teil der Erinnerungskultur etabliert werden konnte. Heute, nur wenige Jahre nach Kauf des Gebäudes durch die Gemeinde, ist die Synagoge nach Sanierung und Umbau zu einem wichtigen Erinnerungsort geworden, der die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Niederzissen dokumentiert und sichtbar macht“, betonte Konrad Wolf.[6]

Veröffentlichungen[Bearbeiten]

  • Gerd Friedt/Brunhilde Stürmer: Dokumentation zum Friedhof Niederzissen, ca. 2007
  • Brunhilde Stürmer: „Seine Seele sei eingebunden im Bündel des Lebens". Der Grabstein des Hermann Feit (1765 - 1845) auf dem jüdischen Friedhof in Niederzissen, in: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2009, S. 166
  • Gerd Friedt/Brunhilde Stürmer: Seit undenklichen Zeiten ... Der jüdische Friedhof in Niederzissen, hrsg. v. Kultur- und Heimatverein Niederzissen e.V., Niederzissen 2012
  • Brunhilde Stürmer/Brigitte Decker: Ein langer Weg, Kultur- und Heimatverein Niederzissen e.V. (Hrsg.), 328 Seiten, Niederzissen 2017 - Der Band schildert die Geschichte der jüdischen Familien in der früheren Niederzissener Synagogengemeinde.[7]

Mediografie[Bearbeiten]

Hildegard Ginzler: „Sie sollen nicht vergessen sein“. Brunhilde Stürmer: „Motor“ der Erforschung jüdischen Lebens in Niederzissen, in: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2019, Ahrweiler 2018, 290 Seiten, S. 35-39

Fußnoten

  1. Quelle: Hildegard Ginzler: Buchpräsentation in ehemaliger Synagoge – Leben und Leiden der Niederzissener Juden, general-anzeiger-bonn.de vom 16. November 2017
  2. Quelle: Petra Ochs: Menschen für Mitmenschen: Die Heimatforscherin - Brunhilde Stürmer aus Niederzissen arbeitet jüdische Vergangenheit auf, in: Rhein-Zeitung vom 4. Dezember 2012
  3. Quelle: Hans-Willi Kempenich: 328 Seiten zeichnen Bild jüdischer Heimatgeschichte – Gäste aus aller Welt reisen zur Vorstellung am Sonntag an, in: Rhein-Zeitung vom 10. September 2017
  4. Quelle: Hildegard Ginzler: Buchpräsentation in ehemaliger Synagoge – Leben und Leiden der Niederzissener Juden, general-anzeiger-bonn.de vom 16. November 2017
  5. Quellen: Preisträgerinnen und Preisträger der German Jewish History Awards 2018 stehen fest, focus.de vom 20. Dezember 2017, siehe auch: Obermayer Awards: Ehrung für Margot Friedländer – Stiftung zeichnet Holocaust-Überlebende und Heimatforscher für ehrenamtliches Engagement aus, juedische-allgemeine.de vom 20. Dezember 2017, und Hildegard Ginzler: German Jewish History Awards 2018 – Preis für Brunhilde Stürmer aus Niederzissen, general-anzeiger-bonn.de vom 25. Dezember 2017, siehe auch: Niederzissenerin erhielt in Berlin den Obermayer German Jewish History Award – Hohe Auszeichnung für Brunhilde Stürmer, blick-aktuell.de vom 25. Januar 2018, und Hildegard Ginzler: Ehrung für Bürgerin: Hohe Auszeichnung für Brunhilde Stürmer aus Niederzissen, general-anzeiger-bonn.de vom 29. Januar 2018, und Hildegard Ginzler: Buchpräsentation in ehemaliger Synagoge – Leben und Leiden der Niederzissener Juden, general-anzeiger-bonn.de vom 16. November 2017
  6. Quellen: Einsatz für ehemalige Synagoge – Brunhilde Stürmer empfängt Verdienstkreuz, in: General-Anzeiger vom 26. Juli 2019, und Erinnerungsarbeit wird mit Verdienstkreuz belohnt – Bundespräsident würdigt historisch-wissenschaftliche Arbeit von Brunhilde Stürmer - Geschichte der Niederzissener Juden recherchiert, in: Rhein-Zeitung vom 25. Juli 2019
  7. Siehe auch: Hans-Willi Kempenich: 328 Seiten zeichnen Bild jüdischer Heimatgeschichte – Gäste aus aller Welt reisen zur Vorstellung am Sonntag an, in: Rhein-Zeitung vom 10. September 2017