Ausweichsitz der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland

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Ehemaliges Eingangsbauwerk in Marienthal
Regbu M.jpg
Bunker 2.JPG
Rolltor (links)
rückgebauter Teil im hinteren Abschnitt des Museums
Markierung für Bauarbeiter
Eingang zum Bauteil 2
Rücktransport einer Telefonzelle aus dem ehemaligen Regierungsbunker
Bunkerbauwerk in der Hardtbergstraße
Bunkerbauwerk in der Hardtbergstraße

Der ehemalige Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes im Krisen- und Verteidigungsfall zur Wahrung von deren Funktionstüchtigkeit (AdVB) wurde im Volksmund kurz „Regierungsbunker“ oder scherzhaft auch „Gasthaus zum letzten Stündchen“ genannt. Heute ist der atombombensichere Regierungsbunker im Kuxberg-Tunnel und im Trotzenberg-Tunnel bei Marienthal das wohl bekannteste Bauwerk des sogenannten „Kalten Krieges“ in den ersten Jahrzehnten der jungen Bundesrepublik Deutschland. Es war das teuerste Bauwerk der Republik und wurde zwischen 1960 und 1972 in den alten Tunnelröhren einer nie vollendeten Bahnlinie gebaut. 3000 ausgewählte Menschen sollten in dem 19 Kilometer langen Tunnelsystem einen Atomschlag um 30 Tage überleben können. Das Tunnelsystem bestand aus 897 Büro- und 936 Schlafräumen sowie fünf Großküchen und Kantinen. Hinzu kamen abhörsichere Sitzungssäle, Werkstätten und Brunnen. Gegliedert war die Anlage in fünf autarke Bauteile, die im Notfall voneinander hätten abgekoppelt werden können. Komfort fehlte: Selbst für die höchsten Repräsentanten des Staates waren lediglich Feldbetten vorgesehen. Richtig genutzt wurde der ehemalige Bunker nie. Noch bis 1989 gab es dort jedoch Nato-Übungen. Als Glasnost und Perestroika die Politik bestimmten, wurde der Regierungsbunker nicht mehr benötigt. Deshalb beschloss die Bundesregierung am 9. Dezember 1997 das Ende des Bunkers.[1] Der Großteil der 17,3 Kilometer langen und größtenteils unterirdischen Anlage wurde von 2001 bis 2006 abgerissen. Auf den letzten 203 Metern wurde die Dokumentationsstätte Regierungsbunker eingerichtet.[2]


Rückbau

Mit der Dokumentationsstätte Regierungsbunker wurde Deutschlands geheimstes Bauwerk am 28. Januar 2008 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das kleine Bunker-Museum vermittelt Eindrücke von Schrecken und Aberwitz des Kalten Krieges. Von der Gigantomanie dieser unterirdischen Kleinstadt ist in dem Museum aber wenig zu sehen: Nur 200 Meter des ehemaligen Bunkers sind noch begehbar, der Rest wurde mit deutscher Gründlichkeit bis auf den nackten Fels entkernt und „zurückgebaut“. Zu sehen sind in dem Museum zum Beispiel eine Zahnarztpraxis und das Zimmer des Bundeskanzlers mit Feldbett und Nachttischlampe.

Vorgeschichte und Geschichte

Die Vorgeschichte des ehemaligen Regierungsbunkers beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Bau der Eisenbahnstrecke am Rhein und durch die Eifel. Kriegspläne des Kaiserreichs führen zum nicht vollendeten Bau der Linie von Liblar südwestlich von Köln über Rheinbach nach Rech an die Ahr. Die fünf fertiggestellten Tunnel zwischen Ahrweiler und Rech hatten zwar nie Eisenbahngleise, wurden aber ab 1936 teilweise propagandawirksam zur Champignonzucht verwendet. Ab Mitte 1943 belegte die Rüstungsindustrie die Tunnelröhren. Bombensicher wurden darin unter dem Namen Lager „Rebstock“ Bodenanlagen für den Verschuss der Mittelstreckenrakete A4, genannt "V2", montiert. Neben vielen zivilen Arbeitskräften und Soldaten kamen ab August 1944 auch KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter zum Einsatz. Mitte Dezember 1944 wurde der Betrieb komplett nach Artern in Thüringen verlegt. In den letzten Kriegsmonaten nutzte die Bevölkerung des mittleren Ahrtals die Tunnelröhren als Zuflucht vor den Bombenangriffen der Alliierten.

  • Die Planung begann am 9. November 1959 unter dem Tarnnamen „Ausbau von Anlagen des THW“. Nach umfangreichen Planungsmaßnahmen beginnt unter strengster Geheimhaltung in den 1960er-Jahren der Bau. Die Bauverwaltung ist in der Anlage des ehemaligen Augustinerinnen-Klosters Marienthal untergebracht, in der bereits die THW-Bundesschule untergebracht war. Im Vorfeld des Bunkerbaus hatte das THW im Rahmen seiner Lehrgänge Trümmer aus den beiden ehemaligen Eisenbahntunneln der „Unvollendeten“ geräumt, die als Grundlage für die zukünftige Bunkeranlage dienen sollten. Der unter dem Kuxberg liegende Abschnitt der Bunkeranlage „Ost/West“ und „Ost/Ost“ wurden nach dreijähriger Bauzeit im Herbst 1965 ihrer Bestimmung übergeben. Die sich unter dem Trotzenberg befindenden Abschnitte „West/West“, „West/Mitte“ und „West/Ost“ wurden Ende 1970 fertiggestellt. Nach Bauende maß die Anlage mit allen Seitenstollen, Fluchttunneln und Versorgungsschächten 17,3 Kilometer. In der Anlage waren 936 Schlafräume und 897 Büroräume untergebracht, die 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr für den Ernstfall vorgehalten worden sind. Der Bunker sollte im Krisenfall rund 3000 Menschen Schutz vor einem Atomschlag bieten. Mit dem Ende des Kalten Krieges verlor die monströse "Festung des Atomzeitalters" ihre Existenzberechtigung; im Jahr 1997 wurde er außer Dienst gestellt. Da sich kein Käufer für die Anlage fand, wurde der Regierungsbunker vollkommen zurückgebaut. Beginn der Bunker-Entkernung und der Versiegelung der Röhren im August 2001. Nur noch 200 Meter des östlichen Abschnitts sind von diesen Maßnahmen verschont geblieben. Sie beherbergen heute die Dokumentationsstätte Regierungsbunker.[3]
  • Die Handwerkskammer Koblenz begann im Sommer 1998 Wissenswertes aus Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Anlage zusammenzutragen. 2001, wenige Wochen vor dem Beginn des Rückbaus, fiel mit den ersten Filmaufnahmen der Startschuss für eine TV-Dokumentation, die 2004 veröffentlicht wurde. Die Kosten für den Rückbau waren jedoch sehr viel geringer als geplant – und das ausführende Unternehmen musste danach Insolvenz anmelden.
  • Ein 200 Meter langes Stück des ehemaligen Regierungsbunkers bei Marienthal wurde als „Dokumentationsstätte des Kalten Krieges“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Teile des Sanitätszentrums, Originalmobiliar von Büro- und Schlafräumen, eine ABC-Dekontaminationsanlage, zahlreiche Gegenstände aus dem Repertoire des atomaren Ernstfalls und das unvergleichliche „Bunkergefühl“ erinnern die Besucher seitdem an den überwundenen Kalten Krieg. Am 20. November 2005 haben der Heimatverein "Alt-Ahrweiler" e.V. und Vertreter des Bundes entsprechende Verträge unterschrieben. Entsprechende Pläne waren schon drei Jahre zuvor im Gespräch. Nachdem die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler aber mit der Begründung aus dem Projekt ausgestiegen ist, für ein Bundesmuseum könne nicht die Stadt geradestehen, schien das Vorhaben gescheitert. In aller Stille jedoch haben Landrat Jürgen Pföhler und Florian Mausbach, Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, den Museumsgedanken weiterverfolgt – mit Erfolg. Erstmalig in seiner Geschichte wird das Bundesamt nun mit einer privaten Organisation, dem Heimatverein Alt-Ahrweiler, einen Nutzungsvertrag als Betreiber des Museums abschließen und das Projekt somit doch noch retten. Probleme des Brandschutzes konnten gelöst werden. „Der Landkreis ist an uns herangetreten, und wir haben uns bereit erklärt“, berichtet Wilbert Herschbach, Vorsitzender des Heimatvereins. Kosten entstehen dem Verein nicht, denn Bunker und Einrichtung sind da, und die laufenden Kosten können durch die Eintrittsgelder gedeckt werden. Das Museum sei „ein Zeitdokument, das nur hier im Kreis Ahrweiler gezeigt werden kann und einen weiteren touristischen Anziehungspunkt bietet“, so Landrat Pföhler. Für die Herrichtung der Zugangswege vom Museum Römervilla am Silberberg aus in das Silberbachtal hinein liegt bei der Stadt ein Bauantrag vor. Sie möchte in diesem Zuge gleich auch den Verlauf des Rotweinwanderweges auf einigen hundert Metern verändern. Der Weg soll auf gleicher Höhe am Berghang verlaufen, damit die Wanderer nicht erst in das Tal hinabsteigen und an der anderen Seite wieder aufsteigen müssen. Zudem würde der Rotweinwanderweg dann genau am Tunneleingang vorbeiführen.
  • Im Herrenhaus des ehemaligen Augustinerinnen-Klosters Marienthal, der Villa Merrens, war die Verwaltung des ehemaligen Regierungsbunkers untergebracht.

Anfang Juni 2009 wurde der Regierungsbunker zum europäischen Kulturerbe erklärt[4].

Ursprünglich befanden sich zwei öffentliche Telefonzellen der ehemaligen Bundespost im Regierungsbunker - eine in der Anlage Ost, im Bauteil 2 und eine in der Anlage West, im Bauteil 5. Es gab 4000 Handapparate in der Anlage. Alle Anrufe, die rein und raus gingen, liefen über eine Vermittlungsstelle, die auch abgehört werden konnte. Wer ungestört telefonieren wollte, benutzte eines der beiden öffentlichen Münztelefone. Erst später erfuhren die Mitarbeiter, dass auch sie abgehört werden konnten.

Nach dem Rückbau befand sich eine der Telefonzellen auf dem Außengelände der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Ahrweiler, wo sie sich äußerlich, den Farbanstrich betreffend, in eine moderne graue und magentafarbene Telefonzelle verwandelte. Genutzt wurde sie von den Mitarbeitern der Akademie für Kommunikationsübungen und Fernmeldeausbildung, bevor sie im Mai 2010 zurück in die Dokumentationsstätte kam, wo sie zunächst in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurde.

Videos

Siehe auch

Mediografie

Weblinks

Fußnoten

  1. Quelle: Tunnelführungen im Regierungsbunker - Heute vor 25 Jahren wurde die Anlage im Ahrtal vom Bund aufgegeben – Team will Besuchern mehr bieten, in: Rhein-Zeitung vom 9. Dezember 2022, S. 3
  2. Quelle: Zehn Jahre Museum im einstigen geheimen Regierungsbunker, general-anzeiger-bonn.de vom 1. März 2018
  3. Quelle: Rhein-Zeitung vom 14. Mai 2013
  4. http://www.swr.de/nachrichten/rp/-/id=1682/nid=1682/did=4933020/16b6gsl/index.html
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