Leo Friesem

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Leo Friesem, ein jüdischer Kaufmann, war Inhaber eines Weiß-, Wollwaren und Möbelgeschäfts an der Ausdorferstraße in Sinzig, das er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten zunächst verpachtete und 1939 verkaufte. Mit seiner Ehefrau emigrierte er wohl noch im gleichen Jahr nach Luxemburg, floh 1941 nach Palästina und 1948 in die USA.


Vita[Bearbeiten]

Die Friesems gehörten zu einer verzweigten Großfamilie, die auf Andreas Friesem zurückgeht, der 1782 von Friesheim nach Burgbrohl gekommen war. Einer seiner Enkel, der Viehhändler Alexander Friesem, ließ sich zunächst in Niederzissen nieder, zog aber um 1850 nach Sinzig. Der in zweiter Ehe mit Helena Hirsch aus Sinzig Verheiratete erwarb 1869 das Haus Ausdorferstraße 10. Dort richtete sein 1851 geborener Sohn Moses im Jahr 1877 ein Textilgeschäft ein. Offensichtlich florierte es, denn 1911 kaufte er das Nachbarhaus dazu und eröffnete 1913 ein Ausstellungslokal auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Von Moses Friesem ging das Geschäft auf dessen Sohn Leo über. Unter seiner Leitung expandierte das Geschäft weiter. Er baute das Geschäfthaus mehrfach um und 1927 zu einem modernen Kaufhaus aus. Im Jahr darauf wurde die Eröffnung gefeiert. Im Gebäude an der Ausdorferstraße 5 (heute Spielwaren Sauer) richtete er ein Möbellager ein. Leo Friesem beschäftigte mehrere weibliche Angestellte, einen nichtjüdischen Fahrer zum Ausliefern der Waren bis ins Maifeld und zwei jüdische Reisende. Friesem erkannte wohl früher als andere jüdische Geschäftsleute den Ernst der Lage unter den Nationalsozialisten. Nach dem Aufruf zum Boykott jüdischer Läden am 1. April 1933 gingen die Einkünfte in Sinzig zurück. Aber der Verkauf litt auch in den Eifeldörfern. Das belegt ein Bericht der Staatspolizei Koblenz vom 31. Oktober 1935 über einen Aufenthalt in Bassenheim, wo Friesem Bestellungen annehmen wollte:[1]

Der Jude, der in Sinzig ein Weiß-, Wollwaren und Möbelgeschäft unterhält, hatte sich für einige Tage in Bassenheim niedergelassen, um seine Kunden zu besuchen. Ein Teil der Bewohner war über die Anwesenheit und das dreiste Auftreten sehr erbost. In der Nacht vom 16. zum 17. d. Mts. wurde auf dem „Platz“ in Bassenheim ein Plakat aufgestellt, mit der Aufschrift „Friesem aus Sinzig! Kauft nicht bei diesem Talmudjuden, hinaus mit ihm aus Bassenheim!“

Aus der Not heraus verpachtete Friesem im August 1936 sein Geschäft an den Kaufmann Erwin Scherzinger. So hatte seine Familie zumindest ein Einkommen und konnte die Emigration vorbereiten. 1939 kauften die Scherzingers das Geschäftshaus durch Vermittlung eines Rechtsanwalts vom Staat. Das Ehepaar emigrierte wohl im gleichen Jahr nach Luxemburg, floh 1941 nach Palästina und 1948 in die USA. Im Geschäftshaus in Sinzig blieb Friesems Tresor zurück. Er wurde erst nach dem Krieg geöffnet, als sich Leo Friesem kurzzeitig in Sinzig aufhielt.

Fußnoten

  1. Quelle: Jüdisches Leben in Sinzig (Teil 1) – Silberschale belegt den Geschäftserfolg der Familie Friesem, in: Hildegard Ginzler: Sinziger Schloss-Geschichten I – Eine Serie der Sinziger Zeitung zum Heimatmuseum Sinzig – März 2002 bis Mai 2005, Sinzig 2005, 96 Seiten, S. 80