Johann Wilhelm von Holbach

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Bis Mai 2017 ruhte die Mumie in einem gläsernen Sarg in der Taufkapelle von „St. Peter“.

Johann Wilhelm von Holbach († 10. März 1691) war bis ins Jahr 1691 Vogt der jülichen Herzöge in Sinzig und Remagen. Sein mumifizierter Körper wird in der Katholischen Pfarrkirche "St. Peter" Sinzig aufbewahrt. Mehr als drei Jahrhunderte Spekulationen und Legenden ranken sich um den etwa 1,60 Meter großen Leichnam, der in Sinzig auch der "heilige Vogt" oder – wegen der ledrigen Haut der Mumie – „Ledermännchen“ oder „lederner Lappes“ genannt wird und der lediglich von einem Lendentuch verhüllt wird. Warum die Leiche nicht verweste, sondern als Mumie erhalten blieb, kann heute niemand genau sagen. Auch über das Leben des Vogts ist nichts bekannt. Dennoch ist der mumifizierte Körper nach wie vor eine Attraktion – für Schulklassen, bei historischen Stadtführungen und bei anderen Besuchern der Kirche. Allerdings ist die Mumie heute in schlechtem Zustand. Ihre Haut wurde an vielen Stellen vom Holzwurm durchbohrt – eine Folge der natürlichen Verholzung (Lignation) des Körpers.


Chronik[Bearbeiten]

Ursprünglich wurde der Vogt im Jahr 1691 in der Grablege der Sinziger Geistlichen, der 1815 abgerissenen Maria-Magdalenen-Kapelle Sinzig, bestattet. Im Jahr 1700 wurde die Kapelle von einem Hochwasser verwüstet; dabei kam auch der mumifizierte Leichnam – schwimmend in einem Holzsarg – wieder zum Vorschein. Glaubt man Berichten von damals, wurde die Mumie im 18. Jahrhundert im Fastnachtszug durch die Straßen von Sinzig getragen. Im Jahr 1797 wurde sie von französischen Revolutionstruppen „entführt“. 1815 gelangte sie dann nach Sinzig zurück. Bis 1964 wurde sie auf der Empore hinter der Orgel in der Katholischen Pfarrkirche "St. Peter" Sinzig aufbewahrt – stehend und für jedermann zugänglich. Dann wurde sie Mumie in einem Schaukasten unter der zur Empore führenden Treppe aufbewahrt – durch eine Glasscheibe von den Kirchenbesuchern getrennt. Auf Betreiben des Kirchbauvereins "St. Peter" Sinzig e.V. ist die Mumie im Jahr 1996 in die ehemalige Taufkapelle der Kirche umgebettet worden. Nun ist geplant, die Mumie in einem Grab neben der Kirche zu bestatten. Trotzdem soll der Leichnam sichtbar bleiben. Das Interesse der Besucher der Taufkapelle würde dann wieder den zwischen 1993 und 2006 für rund 200.000 Euro restaurierten Fresken dienen. Möglicherweise findet auch das mehr als 700 Jahre alte Taufbecken wieder seinen Platz in der Kapelle, die dann wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung dienen könnte.[1]

Weihbischof Jörg Michael Peters habe in seiner Funktion als Vorsitzender der Diözesanbaukommission sein Einverständnis dazu gegeben, dass der Vogt in der St. Peter-Kirche beigesetzt wird. Das berichtete die Rhein-Zeitung am 14. November 2015. Im südlichen Seitenschiff von St. Peter solle der Vogt „endlich eine dauerhafte und vor allem würdige Ruhestätte erhalten.“ Damit folge die Kirche einem Versprechen des damaligen Sinziger Geistlichen Christian Vetter, wonach der Vogt nach seinem Tod in der Grablege der Sinziger Geistlichen bestattet werden darf. Außerdem erkenne sie an, dass der Leichnam bereits seit Jahrhunderten in St. Peter ruht, obwohl dieses Privileg nach kanonischem Recht nur Bischöfen und anderen Geistlichen oder hohen Würdenträgern zukomme. Alle Beteiligten hätten sich allerdings auf eine „Teilsichtbarkeit“ des Leichnams geeinigt. Weil die noch zu schaffende Grabstätte auch einen künstlerischen Wert haben soll, wolle der Kirchbauverein einen Künstlerwettbewerb ausschreiben, der 2016 durchgeführt werden soll. 2017, zur 750-Jahr-Feier der Stadt, solle die Umbettung dann abgeschlossen sein.

Bei der Hauptversammlung des Kirchbauvereins „St. Peter“ Sinzig e. V. im Dezember 2016 hieß es, Pfarrgemeinderat und Pfarrverwaltungsrat hätten einstimmig für einen Entwurf des Bistumsarchitekten Thomas von der Stein votiert, nach dem der Vogt seine ewige Ruhe unbeleuchtet in einem Stahlsarkophag mit Glasplatte finden solle. Ein Eisengeflecht unterschiedlich dicht verschränkter Riemchen gewähre Durchblicke etwa auf die Brust zu und verhindere sie aber im Kopf- und Schambereich. Weihbischof Jörg Michael Peters, als Vorsitzender der Diözesanbaukommission, plane die Fertigstellung der neuen Grablegung noch für 2017.[2]

Weihbischof Jörg Michael Peters segnete die neue Ruhestätte der Mumie am Sonntag, 28. Mai 2017, in einer Pontifikalvesper ein. Zuvor war einige Wochen an der eingehausten Baustelle in der Sinziger Pfarrkirche gearbeitet und dabei der Entwurf von Bistumsarchitekt Thomas von der Stein umgesetzt worden. Nachdem der mumifizierte Körper umgebettet worden war, wurde die künstlerisch gestaltete Abdeckung auf den gläsernen Deckel des Sarkophags aufgebracht. Die Bezeichnung „Heiliger Vogt“ macht eine Art Heiligsprechung durch das Volk deutlich. Trotzdem darf Johannes Wilhelm von Holbach, so groß seine gesellschaftliche Reputation zu Lebzeiten auch gewesen sein mag, nicht im Gotteshaus bestattet werden. Diese Ehre sieht das Kirchenrecht allein für kirchliche Würdenträger vor. Trotzdem stimmte das Bistum stimmte letztlich dem Wunsch der Pfarrgemeinde zu. Immerhin liegt das Versprechen von Dr. Christian Vetter, bis 1662 Priester in Sinzig, an Holbach schriftlich vor, in St. Peter beigesetzt zu werden. Außerdem kommt eine Art Gewohnheitsrecht hinzu: Immerhin wird die Mumie des Vogts seit 1815 ununterbrochen in der Pfarrkirche aufbewahrt.[3]

Kontroverse[Bearbeiten]

Über den Umgang mit der Mumie fand in den vergangenen Jahren eine kontrovers geführte Diskussion statt. In seinem Artikel Der wunderlichste Heilige im Rheinlande schrieb der Kunsthistoriker Stephan Pauly (M.A.) 1996, dass die Überführung des Körpers nach Frankreich eine „Barbarei“ gewesen sei, wo dann an ihm die „unsinnigsten Experimente“ durchgeführt worden seien. Er schließt seinen Aufsatz mit der rhetorischen Frage, ob diese Mumie durch eine „fragwürdige Aufbahrung zu einer Kuriosität und zu einem zweifelhaften Schauobjekt verkommen darf.“

Unbehagen über diese Art des Umgangs mit den Körpern Verstorbener ist nicht ungewöhnlich. So gab es eine ähnliche Diskussion vor der Ausstellung der mumifizierten Körper von Johanna Juliane Pforte und Robert Christian von Hake in einer Dorfkirche bei Magdeburg. Dort plädierte der Förderverein Kirche St. Nikolaus Nedlitz für einen offenen Umgang mit dem Tod. Der Vorsitzende des Vereins, Dr. Peter Weber, begründete seine Entscheidung folgendermaßen: „Der Tod macht uns ratlos, unsicher, verlegen. Wir als Förderverein wollen durch das Zeigen der Mumien anregen, wieder über den Tod nachzudenken – sowohl über den eigenen als auch über den von Freunden, Verwandten.“

Die Argumente der Gegner, dass es sich hierbei um eine „Störung der Totenruhe“ handele und ein solcher Umgang mit derartigen Mumien „pietätlos“ sei, sei – zumindest juristisch betrachtet – haltlos. Im Handbuch Strafrecht Besonderer Teil (Teilband 2) kommentieren die Verfasser Maurach/Schroeder/Maiwald § 168 StGB (Störung der Totenruhe):

Es folgt aus der Richtung der Schutzfunktion von § 168 das Objekt der von ihm pönalisierten Handlungen nur diejenigen menschlichen Relikte sein können, hinsichtlich derer die Nachwirkungen des Persönlichkeitsrechts noch nicht erloschen sind. Daher scheiden Mumien, Moorleichen, präparierte Leichen in Laboratorien aus dem Kreise des § 168 aus.

Ein juristisches Skript führt hierzu aus:

Die Eigentumsfähigkeit ist bei Leichen (...) zu verneinen, wenn sie zur Bestattung bestimmt sind und damit der Pietätsbindung unterliegen. Daher kommt in diesen Fällen nur die Verwirklichung des § 168 in Betracht, nicht aber die der §§ 242, 246 oder die des § 303. Ausnahmsweise, wenn eine Leiche nicht zur Bestattung (...) bestimmt ist, sondern eine Mumie darstellt, ist das Verhältnis der Strafnormen umgekehrt.

Juristisch unterliegen Mumien demnach nicht der Totenruhe und nicht der Pietätsbindung. Vielmehr stellen sie eine Sache dar, die eigentumsfähig ist, also auch verkauft oder gestohlen werden kann. Die postmortalen Persönlichkeitsrechte der Sinziger Mumie sind längst erloschen. sie enden spätestens 70 Jahre nach dem Ableben. Dabei spielt es - juristisch gesehen - keine Rolle, ob der Name (bzw. weitere Einzelheiten aus dem Leben) der Person, dessen Überbleibsel sie darstellt, bekannt ist.

Mediografie[Bearbeiten]

Spezifisches zur Sinziger Mumie[Bearbeiten]

Zum Umgang mit Mumien allgemein[Bearbeiten]

Fußnoten

  1. Quelle: Judith Schumacher: Sinziger „Ledermännche“ wird umgebettet – Pläne für mumifizierten Leichnam, in: Rhein-Zeitung vom 8. Januar 2014
  2. Quelle: Hildegard Ginzler: Kirchbauverein St. Peter Sinzig: Mumie unter Riemchen, general-anzeiger-bonn.de vom 18. Dezember 2016
  3. Quelle: Bernd Linnarz: Weihbischof Jörg Michael Peters segnet Grablege – Mumie in der Kirche Sankt Peter Sinzig findet eine neue Ruhestätte, general-anzeiger-bonn.de vom 30. Mai 2017