Schweizer Milchkuranstalt Bad Neuenahr

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Schweizer Milchkuranstalt 2.jpg
Diese 1905 gelaufene Ansichtskarte zeigt die Frontseite der Milchkuranstalt.

In einem 1970 abgerissenen Gebäude hinter dem Kurpark-Café an der Oberstraße in Bad Neuenahr, dort, wo sich heute ein Mitarbeiter-Parkplatz befindet, betrieben der Appenzeller Milchwirtschaftsspezialist Johann Herrsche und seine Familie einst eine Schweizer Milchkuranstalt.


Ungefährer ehemaliger Standort[Bearbeiten]

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Chronik[Bearbeiten]

Weil die Milchkuranstalt wie der gesamte Kurbetrieb in Bad Neuenahr ein Saisongeschäft war, lebten Johann Herrsche (oder auch Johann Hersche) und seine Familie während der Wintermonate in ihrer Schweizer Heimat Appenzell. Jedes Jahr vor Saisonbeginn brachten sie per Eisenbahn acht Milchkühe und einen Bullen mit an die Ahr, in einigen Jahren sogar bis zu zwölf Kühe. Der Kuhstall stand hinter der Milchkuranstalt auf dem Gelände des heutigen Kurparks.

Von März bis September gaben die drei Appenzeller Tracht tragende Töchter der Familie Herrsche täglich bis zu 300 Tassen Milch an die Kurgäste aus. Zuckerkranke bekamen statt der Frischmilch Kefir, der mit Hilfe eines Hefepilzes aus dem Kaukasus hergestellt wurde. Wenn die Saison im Herbst endete, reisten die Kühe nicht zurück in die Schweiz, sondern wurden an Bauern aus der Umgebung verkauft. Während eine Kuh im Einkauf etwa 800 Schweizer Franken gekostet hatte, wurde sie in Bad Neuenahr für 300 Mark weiterverkauft. Das bedeutete „eine gesunde Blutauffrischung für den heimischen Viehbestand“, wie es in Berichten aus jener Zeit zu lesen ist. Die Ahrweiler Zeitung berichtete am 11. Mai 1903:

Die Milchkuranstalt des Bades Neuenahr hat am 4. Mai durch den Chemiker Dr. Kaeppel im Beisein von dessen Assistenten Dr. Salzmann eine Stallprobe entnehmen lassen. Sämtliche Kühe wurden vollständig ausgemolken, und aus der Milch wurde die Probe entnommen. Dieselbe ergab (...) einen Fettgehalt von 5,42 Prozent. Die bekannte Milchkuranstalt des Fürsten Pleß in Salzbrunn in Schlesien veröffentlicht einen ständigen Fettgehalt von 3,65 Prozent für ihre Milch. Die gewöhnliche Marktmilch besitzt meist einen noch geringeren Gehalt. Um so beachtenswerter ist der Erfolg des Schweizers Hersche, welcher einzig auf der Schweizer Fütterungsart beruht. Solch vorzügliche Milch ist als eines der Kurmittel des Bades Neuenahr neben dem großen Sprudel nicht zu unterschätzen.

Jochen Tarrach schrieb am 17. August 2019 in der Rhein-Zeitung:

Das Geschäft mit allem, was man aus der Milch herstellen konnte, florierte, zumal die Kühe noch mit besonderem Kraftfutter, zum Beispiel Kleie, gefüttert wurden und erstklassige Milch gaben. Selbst der kurende Hochadel wusste die tägliche Tasse Milch zu schätzen.[1]

Wegen des Ersten Weltkriegs wurde die Milchkuranstalt, die der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr gehörte, geschlossen. Anfang der 1920er-Jahre eröffnete eine Dame in dem Gebäude eine Tanz-Diele. 1927 pachteten Heinrich Becher und seine Tochter Maria das Anwesen und eröffneten dort ein „Schweizer Café“. Zusammen mit ihrem späteren Ehemann, dem Konditormeister Peter Küpper, baute Maria Becher das Haus Küpper-Becher zu einer florierenden Konditorei mit Gaststätte aus.

1937 kam Sohn Dieter zur Welt, der seine Kindheit und Jugend im Kurpark und darum herum verbrachte. 1970 gab die Familie das Haus auf. Weil es baufällig geworden war und die gestiegenen Anforderungen nicht mehr erfüllte, ist es bald abgerissen worden. Dieter Küpper, ebenfalls bereits Konditormeister, übernahm das Panorama-Cafe und Restaurant in der 15. Etage des Seniorenwohnstift „Augustinum“ in Bad Neuenahr, das er bis ins Jahr 1990 betrieb. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch die von ihm produzierten Back- und Konditorwaren auch bei den Gästen des Hofgarten-Cafés im ehemaligen Grand-Hotel „Rheinischer Hof“, das Küpper bis 2005 betrieb.

Siehe auch[Bearbeiten]

Milchkuranstalt Dr. Unschuld (Bad Neuenahr)

Fußnoten

  1. Quelle: Jochen Tarrach: Schweizer Geschäftsidee: Melken für die Trinkkur – Dieter Küpper erinnert sich noch an die Zeiten, als es in Bad Neuenahr nicht nur das Heilwasser für die Gäste gab, in: Rhein-Zeitung vom 17. August 2019