Jacques Mastiaux

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Jacques Mastiaux im Jahr 2004 in seinem Appartement in der Ahrtal-Residenz Bad Neuenahr
Jacques Mastiaux (Dritter von rechts) am Tag seiner Primiz in seinem Heimatort Bad Bodendorf - zusammen mit seinen Stiefbrüdern Josef (von links), Anton und Otto Simons, Heinrich (von rechts) und Caspar Simons sowie Hildegard Simons (Dritte von rechts) und Marlies Simons (Fünfte von rechts). Hinten rechts: Stiefvater Otto Simons.
Grab auf dem Friedhof in Witterschlick
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Der in Bad Bodendorf aufgewachsene Pfarrer Jacques Mastiaux (* 10. Juli 1933 in Bonn, † 30. November 2014 in Bad Neuenahr) lebte die letzten Jahre seines Lebens in der Ahrtal-Residenz Bad Neuenahr.


Vita[Bearbeiten]

Wenn Pastor Jacques Mastiaux von seiner Primiz am 24. Juli 1960 in der Katholischen Pfarrkirche "St. Sebastianus" Bad Bodendorf erzählte, musste er selbst in hohem Alter noch schmunzeln. Kurz vor der Wandlung bemerkte der damalige Pastor Oskar Czecholinski nämlich im proppenvoll besetzten Gotteshaus, dass vergessen worden war, den Messwein bereit zu stellen. Weil er befürchtete, dass seine Messdiener während seiner Abwesenheit vom Messwein trinken und die Flasche anschließend mit Wasser auffüllen würden, wenn der Wein in der Sakristei aufbewahrt wird, bewahrte er den Rebensaft stets im Pfarrhauskeller auf. Rosa, seine Haushälterin, hatte deshalb den Auftrag, vor jedem Gottesdienst Messwein von dort in die Kirche zu bringen. Das aber hatte sie vor der Primizfeier des am 19. Juli 1960 von Erzbischof Joseph Kardinal Frings im Kölner zum Priester geweihten Bodendorfers wohl vergessen.

Deshalb flogen jetzt ratsuchende Blicke vom Altarraum in die vorderen Sitzreihen, wo die Haushälterin saß. Rosa reagierte sofort, stand auf und begann, sich durch die dicht gedrängt stehenden Gläubigen zum Kirchenausgang zu wühlen. Dann lief sie die Treppen hinunter zum Pfarrhaus, dem heutigen Katholischen Pfarrheim "St. Sebastianus" Bad Bodendorf, rannte in den Keller, griff sich dort eine Flasche vom Messwein und eilte so schnell sie nur konnte die Stufen hinauf zum Kircheneingang zurück, von wo aus sie sich wieder zum Altar vorarbeitete. Matthias Kramprich bemühte sich derweil, die Wartezeit an der Orgel mit Improvisationen zu überbrücken. Erst nachdem Rosa die Flasche mit dem Messwein übergeben hatte, konnte Kaplan Mastiaux mit der Liturgie fortfahren.

Nach der Messe nahm der junge Geistliche unzählige Gratulationen entgegen. Im Garten des elterlichen Anwesens gleich neben der Kirche feierten Pfarrgemeinde und Bürgermeister zusammen mit Eltern, Stiefbrüdern, Verwandten, Freunden und Wegbegleitern den großen Tag. Abordnungen der St. Sebastianus-Schützengesellschaft Bad Bodendorf 1927 e.V., des Männergesangvereins "Eintracht" Bad Bodendorf 1919 e.V. und des Junggesellenvereins "St. Josef" Bad Bodendorf 1820 e.V. machten ihre Aufwartung.

Dabei hatte Jacques Mastiaux, am 10. Juli 1933 in Bonn geboren, in seinen Jungenjahren eigentlich Kaufmann werden wollen - wie sein Vater Peter Mastiaux, der im Bonner Stadtteil Beuel mit Tabakwaren gehandelt hatte. In der zehnten Klasse aber fuhren Jacques und seine Mitschüler vom Gymnasium Ahrweiler zu Exerzitien mit Pater Pereira ins Bad Godesberger Aloisius-Kolleg (Ako). Sie standen unter dem Motto "Gott braucht Menschen", und sie hinterließen bei dem jungen Bodendorfer einen derart starken Eindruck, dass er sich entschloss, Priester zu werden. So besuchte Jacques nicht, wie eigentlich vorgesehen, die Höhere Handelsschule, sondern machte in Ahrweiler Abitur. Daneben engagierte er sich in der kirchlichen Jugendarbeit seines Heimatdorfes und erteilte der Dorfjugend in der heute ungenutzten Mansarde des alten Pfarrhauses Erdkunde-Unterricht. Dazu projizierte er mit dem Epidiaskop Karten und Grafiken aus Büchern an die Wand. Das Faible für Kinder- und Jugendarbeit, das er damals bei sich selbst entdeckte, sollte das gesamte Berufsleben von Jacques Mastiaux prägen.

Am 19. Juli 1960 wurde Mastiaux im Kölner Dom zum Priester geweiht, nachdem er von 1954 bis 1958 an der Universität Bonn Theologie studiert und von 1958 bis 1960 das Priesterseminar in Köln besucht hatte. Von 1960 bis 1967 war er Kaplan an "St. Severin" in Frechen, anschließend bis 1971 Kaplan in Köln-Raderthal.

Am 7. März 1971 kam Mastiaux auf seine erste – und letzte - Pfarrstelle nach Witterschlick, der er 32 Jahre, sein gesamtes weiteres Berufsleben, widmen sollte. 1994 wurde er darüber hinaus Dechant des Dekanats Bornheim. Seelsorge wurde in Witterschlick, bis Mastiaux die Pfarrstelle übernahm, ziemlich klein geschrieben worden. Ein bißchen ungestüm, aber liebenswert und mit ganzer Kraft stieg er in sein neues Aufgabenfeld ein. Mit seinen ersten Kommunionkindern verbrachte er schon im Frühjahr 1971 eine Woche auf der Holzer Almhütte im Bergischen Land. Diese Fahrt wurde ein derart großer Erfolg, dass die Witterschlicker Kommunionkinder vieler Jahrgänge in den Jahren darauf auf der Holzer Hütte gemeinsam unvergessliche Tage erlebten. Als Nebeneffekt stieg die Zahl der Messdiener von "St. Lambertus" auf bis zu 120; im Durchschnitt waren es 90.

Mastiaux setzte sich auch für hilfsbedürftige Familien und Alleinstehenden sowie für unverschuldet in Not geratene Mitglieder seiner Pfarrgemeinde ein. In besonderem Maße unterstützte er die Arbeit der Caritas. Auf seine Initiative hin wurde in Witterschlick ein Caritas-Besuchsdienst eingerichtet, der ältere Gemeindemitglieder zu Geburtstagen und an Weihnachten besuchte. Auch der 1998 in Witterschlick gegründete ökumenische Besuchsdienst "Eine Stunde Zeit schenken", bei dem ehrenamtliche Helfer alte und einsame Menschen besuchen, geht auf Jacques Mastiaux zurück. Schon 1972 hatte er - zusammen mit der Caritas - einen Seniorenclub ins Leben gerufen, einen wöchentlichen Treff für 40 bis 50 ältere Menschen.

1976 wurde in Witterschlick ein Jugendheim eingeweiht, für dessen Bau sich Mastiaux eingesetzt hatte. Jugendgruppen, aber auch kirchliche Vereine, hatten damit endlich Räume für ihre Aktivitäten. Weitere bedeutende Baumaßnahmen der Pfarrgemeinde während der Amtszeit von Jacques Mastiaux waren die Renovierung der Pfarrkirche; dabei wurde auch der Kirchturm, der bei einem Bombenangriff am 4. Februar 1944 beschädigt worden war, neu verfugt. Das Klausenhäuschen, das der Pfarrgemeinde gehört, wurde renoviert, und am 30. Januar 2000 ist die 810.000 Mark teure neue Orgel der Lambertuskirche festlich eingeweiht worden - von Weihbischof Norbert Trelle und mit Musik von Johann Sebastian Bach.

Mastiaux setzte sich dafür ein, dass in Witterschlick eine Pfarrbücherei eröffnet wurde, und er leitete regelmäßig Wallfahrten nach Moresnet und Banneux. Mastiaux reicherte das Leben in der Pfarrgemeinde auch mit geselligen Veranstaltungen an – unter anderem mit Fischessen, Familienausflügen sowie dreiwöchigen Fahrten während der Sommerferien in ein Selbstversorgerhaus in die Flumser Berge in der Schweiz. Viele Jahre lang fuhr er jeden Freitag nachmittag mit seinen Messdienern ins Hallenbad am Bonner Hardtberg zum Schwimmen. Außerdem rief er das Pfarrfest von "St. Lambertus" am Fronleichnamstag ins Leben, bei dem seitdem rund um Kirche und Jugendheim gefeiert wird.

Zu vielen Ortsvereinen, zu seinem evangelischen Amtsbruder und zur islamischen Gemeinde baute er intensive Kontakte auf. Jahrelang stellte Mastiaux den Witterschlicker Moslems Räume in der Kirche zur Verfügung, in denen sie sich zu Gespräch und Gebet treffen konnten. Zum Dank wurde Mastiaux dafür zum Ehrenhodscha ernannt. Neben seiner Arbeit in der Pfarrgemeinde gab Mastiaux – in den letzten Jahren ehrenamtlich - Religionsunterricht. Altersgerecht und humorvoll brachte er den Schülern der Witterschlicker Schulen die Geheimnisse des Glaubens näher.

Bei persönlichen Festen – runden Geburtstagen, Priesterjubiläen - verzichtete Mastiaux auf Geschenke; statt dessen bat er um Spenden für die Ausschmückung der Kirche. Überhaupt erwarb er sich in seiner Pfarrgemeinde großen Respekt auch als "Finanzierungsgenie". Als Zeichen der Anerkennung, weil Pastor Mastiaux die unmöglich scheinende Finanzierung dringend benötigter Notenmappen und einer neue Fahne sichergestellt hatte, die der Kirchenchor für die Jubiläumsfeier zu seinem 250-jährigen Bestehen benötigte, brachte der Chor anlässlich eines Witterschlicker Karnevalsumzugs einmal eine Sonderserie von 22-D-Mark-Scheinen mit dem Konterfei seines Präses in Umlauf.

Auch ein Pfarrer macht mal Urlaub. Den nutzte Jacques Mastiaux stets zum Reisen. Mit Mutter Paula und Stiefvater Otto Simons besuchte er Österreich und die Schweiz; und mehrmals machte er mit ihnen Urlaub in St. Nikolausen am Vierwaldstätter See. Später umrundete er Schottland mit dem Wohnmobil – zusammen mit einer befreundeten Familie aus Witterschlick. Mastiaux war in Oberitalien, fünf Wochen lang in Kaliformien, in Thailand, Bali, New York und Mexiko. Dass aus einer geplanten China-Reise nichts wurde, schmerzte ihn selbst auf seine alten Tage noch. Schon als Junge war Jacques Mastiaux von Bodendorf aus mit dem Rad ins Sauerland, in den Hunsrück und in die Eifel gefahren. Mit dem Skatclub bereiste er Westflandern und besuchte Brügge. Noch älter als seine Leidenschaft zum Reisen war allerdings seine Liebe zum Tabak. Vielleicht deshalb, weil ihm der Vater, der in Bonn-Beuel eine Tabak-Handlung führte, schon mit im Alter von vier Jahren erlaubt hatte, zu Weihnachten eine – freilich besonders milde – F 58-Filterzigarette zu rauchen.

Pastor Mastiaux´ Vater Peter Mastiaux – Geburtsjahrgang 1896 - ruht übrigens auf dem Ehrenfriedhof Bad Bodendorf. Von 1916 bis 1918 hatte er in Frankreich und Russland gekämpft; im zweiten Weltkrieg wurde er in Frankreich eingesetzt, bis er 1941 wegen eines Herzleidens zu 100 Prozent kriegsversehrt, nach Bonn zurückkehrte. Bei einem großem Luftangriff am 18. Oktober 1944 musste er erleben, wie sein Geschäft in Flammen aufging. 1945 starb er an seiner falsch behandelten Krankheit; in Kirchen an der Sieg wurde er beerdigt. Nachdem der Vater gestorben war, lernte Jacques Mutter Paula 1946 den Bodendorfer Landwirt und Winzer Otto Simons kennen, der seinen Hof und seine fünf Söhne allein zu versorgen hatte, nachdem seine erste Frau Sybilla Simons zwei Jahre zuvor gestorben war. Im Oktober 1946 heirateten die Bonnerin und der Bodendorfer und zogen mit dem 13-jährigen Jacques und Paulas Vater Nico Ewig von Bonn in die Bodendorfer Hauptstraße. Zehn Jahre später, inzwischen Theologie-Student, sorgte Jacques dafür, dass sein Vater auf den Ehrenfriedhof Bad Bodendorf umgebettet wurde.

Als Mastiaux zum 1. August 2003, nach seinem 70. Geburtstag, in Ruhestand ging, konnte er seinem Nachfolger eine intakte Pfarrei hinterlassen, die finanziell auf soliden Füßen steht und die sich durch ein ebenso vielfältiges wie lebendiges regligiöses und geselliges Gemeindeleben auszeichnet. Lob erhielt Mastiaux bei seiner Verabschiedung auch dafür, dass er "nicht nur Seelenmassage bei seinen Pfarrkindern betrieben, sondern helfend und unterstützend überall da eingegriffen hatte, wo Hilfe vonnöten war." Ebenso fand Anerkennung, dass er während seiner 32 Witterschlicker Jahre nie ein Blatt vor den Mund genommen hatte, wenn ihm etwas nicht passte.

Seitdem wohnte Mastiaux nun in der Ahrtal-Residenz Bad Neuenahr. In den ersten Monaten vertrat er von dort aus reihum Priester-Kollegen in Kirchdaun, Heppingen, Heimersheim und Karweiler sowie in Bad Neuenahr und Ahrweiler. Auch im Krankenhaus "Maria Hilf" Bad Neuenahr und im Seniorenwohnstift Augustinum Bad Neuenahr zelebrierte er Gottesdienste. Aus gesundheitlichen Gründen musste er dann aber kürzer treten. Später zelebriert er noch einen Gottesdienst pro Woche in der der Ahrtal-Residenz - jeden Freitag ab 15.30 Uhr in einer Wohnung der Residenz, die eigens für diesen Zweck hergerichtet worden war – und monatlich einen Gottesdienst in einem Senioren-Domizil auf dem Bonner Venusberg.

Um sich auf dem laufenden zu halten, las Mastiaux Tageszeitungen und Zeitschriften; daneben ackerte er in seinem Appartement bergeweise Bücher zu Theologie und Kirchengeschichte durch. U.a. beschäftigte er sich mit dem Kölner Kardinal Joseph Frings (1887-1978), der die Judenverfolgung während der Nazi-Zeit mutig als "himmelschreiendes Unrecht" verurteilt hatte, der nach 1945 Hilfsaktionen für die ausgebombte Kölner Bevölkerung leitete und der den Diebstahl von Kohlen und Briketts, das im Volksmund später so genannte "Fringsen", zur Überlebenssicherung rechtfertigte.