Bonn-Berlin-Ausgleichsvereinbarung

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Eine 45-köpfige Arbeitsgruppe beschloss im Frühsommer 2016 auf Einladung des Bonner Oberbürgermeisters Ashok Sridharan das Papier „Bundesstadt Bonn – Kompetenzzentrum für Deutschland, Position der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler zur Bonn/Berlin-Diskussion“.
Der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan (links) und AW-Landrat Dr. Jürgen Pföhler demonstrierten im April 2016 Einigkeit: Kreis Ahrweiler, Stadt Bonn und Rhein-Sieg-Kreis wollen sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Zukunft Bonns als Bundesstadt gesichert bleibt und die Zusagen des Berlin/Bonn-Gesetzes eingehalten werden.

Um die Nachteile des Bonn-Berlin-Umzugs großer Teile der Bundesregierung auszugleichen, einigten sich der Bund und die Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler am 29. Juni 1994 auf die Bonn-Berlin-Ausgleichsvereinbarung. Insgesamt 75 Projekte erhielten aufgrund dieser Vereinbarung unmittelbar finanzielle Hilfen vom Bund. Mehr als 1000 weitere Projekte wurden initiiert oder mittelbar gefördert. Nach einer Erhebung des Bundesbauministeriums, das für die Ausgleichsvereinbarung zuständig war, wurden bis zum Auslaufen der Förderung am 31. Dezember 2004 in den unmittelbar geförderten Einrichtungen in der Region mehr als 2000, in den mittelbar geförderten etwa 17.000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert.


Chronik

In den vier Hochschulen, die mit Ausgleichsmitteln aufgebaut wurden, studierten zum Jahreswechsel 2004/05 mehr als 6000 Studenten. Mit Hilfe der Ausgleichsmittel hätten sich die Stadt Bonn und die angrenzenden Landkreise "von einer ehemals monostrukturell auf Parlament und Regierung ausgerichteten Region zu einem lebendigen und weltoffenen Dienstleistungsstandort mit internationaler Ausrichtung entwickelt", bilanzerte die Rhein-Zeitung am 14. März 2005.

Die Wirtschaftsförderung des Ahr-Kreises hatte ermittelt, dass durch die Ausgleichsprojekte allein an der Ahr fast 900 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert worden seien. Auch Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) befand bei der Abschlusssitzung des Koordinierungsausschusses für den Bonn-Berlin-Ausgleich, dass das nördliche Rheinland-Pfalz und die Region Bonn "auf einem guten Weg sind". Er appellierte jedoch an alle Verantwortlichen, in ihren Anstrengungen zur Weiterentwicklung der Region nicht nachzulassen.

Jeweils 30 Millionen Euro gewährte der Bund für 24 Gewerbegebiete und fünf Technologiezentren. 12,3 Millionen Euro flossen in die Fremdenverkehrsförderung, nach dem Wegfall des Polit-Tourismus in der Ex-Bundeshauptstadt sollten neue Zielgruppen erschlossen werden.

Der größte Batzen jedoch, 858 Millionen Euro, wurde für den Ausbau der Region als Wissenschaftsstandort vorgesehen. Dazu zählen die Errichtung des Zentrums für Informationstechnologie Bonn-IT (56,2 Millionen Euro) und der Technologieplattform für Hirnforschung und Neurowissenschaften "Life & Brain" (15,3 Millionen Euro). Je 30,7 Millionen Euro gewährte der Bund für die Errichtung eines Nord-Süd-Zentrums für Entwicklungsforschung und eines Zentrums für europäische Integrationsforschung.

256 Millionen Euro aus dem Bundessäckel flossen in den Anschluss des Köln-Bonner Flughafens an die ICE-Neubaustrecke Köln/Rhein-Main, 74 Millionen in den wirtschaftlichen Strukturwandel, 60 Millionen in die Region Bonn als Kulturstandort. Für das 300 neue Arbeitsplätze bietende Center for Advanced European Studies (Caesar) sah die Ausgleichsvereinbarung den größten Einzelposten vor: 350 Millionen Euro.

In den Kreis Ahrweiler flossen mehr als 120 Millionen Euro aus dem Ausgleichsfonds. Für den Bau des Arp-Museums in Rolandseck bewilligte der Bund 17,5 Millionen, für das Innovations- und Gründerzentrum für Pharmazie, Medizintechnik, Lebensmittelchemie und Kosmetik GmbH Sinzig (IGZ) 2,6 Millionen Euro. Die Ahr Rhein Eifel Tourismus & Service GmbH des Ahr-Kreises erhielt 1,2 Millionen Euro aus dem Ausgleichstopf und 300.000 Euro wurden für die überregionale Vermarktung des Kreises bereit gestellt. Für Erwerb, Planung und Erschließung von Gewerbegebieten in Remagen, Sinzig, Kempenich, Spessart (bei Kempenich) und Bad Breisig gewährte der Bund 5,2 Millionen Euro. Allein die Erschließung des Innovationsparks Rheinland auf der Grafschaft wurde mit 2,2 Millionen Euro gefördert.

Größtes Förderprojekt im Ahr-Kreis war der RheinAhrCampus Remagen: 94,6 Millionen Euro Bundesmittel flossen in den Aufbau dieses Herzstücks und Impulsgebers für den Strukturwandel im Ahrkreis. Seit dem Jahreswechsel 2004/05 wurde der Remagener Campus, organisatorisch der FH Koblenz angegliedert, aus dem rheinland-pfälzischen Landeshaushalt finanziert. Am 1. Oktober 1998 ging die neue Bildungseinrichtung mit 119 Studenten in Betrieb. Die 42 ersten Absolventen der Fachbereiche Betriebs- und Sozialwirtschaft sowie Mathematik und Technik erhielten Ende 2002 nach vierjährigem Studium ihre Diplome als Diplom-Betriebswirte (FH) oder Diplom-Ingenieure (FH). Die innovativen Studiengänge, die die Einrichtung bietet, würden von Studenten und Arbeitgebern gleichermaßen geschätzt, hieß es. Mit 1600 jungen Männern und Frauen ist die anfangs angepeilte Studenten-Zielzahl von 1000 rasch deutlich überschritten. Drittmittel und Sachspenden in beachtlicher Höhe sowie eine Stiftungsprofessur warb die FH ein. Vom Eröffnungstag an wurde der FH-Aufbau allerdings von enormen baulichen Problemen begleitet. Das undichte Flachdach über dem ersten der beiden Bauabschnitte war jahrelang mit einem Behelfsdach aus Balken, Brettern und Folie überbaut. Erst 2004 wurde es abgedichtet. Auch die Fassade, die mindestens 20 Jahre halten sollte, war 2005 bereits sanierungsbedürftig.

Die größte Investition in eine kulturelle Einrichtung, die die Ausgleichsvereinbarung vorsah, war der Neubau des Arp-Museums in Rolandseck: 17,5 Millionen Euro gewährte der Bund für diesen Zweck. Star-Architekt Richard Meyer persönlich reiste aus New York an, um beim symbolischen ersten Spatenstich anzupacken. Dieses Projekt ist allerdings von Anfang an umstritten. Die Grünen kritisierten, dass die Landesregierung bereits zehn Millionen Euro für Kunstwerke ausgegeben hat, an deren Echtheit Fachleute zweifeln. Außerdem schätzten sie, dass das Museum insgesamt 65 Millionen Euro Steuergeld kosten, aber lediglich 19 Arbeitsplätze bieten würde. Und vom Museumsbetrieb erwarteten die Grünen nur geringe positive Impulse für die regionale Wirtschaft.

Zu einem wahren Senkrechtstarter entwickelte sich das Technologiezentrum für Oberflächentechnik (TZO) in Rheinbreitbach (Kreis Neuwied). 1997 eröffnet, wurde es im Jahr 2003 bereits zum dritten Mal erweitert. Im Frühjahr 2005 beherbergte das mit Ausgleichsmitteln errichtete Zentrum neun Unternehmen, darunter Institute der Universitäten Kaiserslautern und Darmstadt. 70 Menschen arbeiteten zu dieser Zeit im TZO - sechs davon als TZO-Angestellte, die übrigen als Mitarbeiter der im Zentrum angesiedelten Jungunternehmen.

Weniger fulminant verlief die Entwicklung des IGZ in Sinzig. Jahre vergingen, bis sich die Hauptgesellschafter, Stadt Sinzig und Kreis Ahrweiler, mit dem Bund auf ein Konzept für die Einrichtung einigten. Bei der Eröffnung im Mai 2004 wurde zwar auch der erste Existenzgründer präsentiert, der ins IGZ einziehen wollte; der allerdings sprang schon wenig später wieder ab.

Die Suche nach Unternehmen, die sich im Innovationspark Rheinland in Grafschaft-Gelsdorf ansiedeln wollten, verlief bis zum Frühjahr 2005 erfolglos. 2,2 Millionen Euro Bundesmittel flossen in den 22 Hektar großen, im Frühjahr 2004 eröffneten Park, in dem High-Tech-Unternehmen angesiedelt werden sollten.

Ahrkreis-Landrat Dr. Jürgen Pföhler zog nach dem Auslaufen der Förderung folgende Bilanz: Die einst befürchteten Struktureinbrüche an Wirtschaftskraft und für den Arbeitsmarkt seien "mehr als nur aufgefangen worden". Das beweise die steigende Einwohnerzahl: Sie entwickelte sich zwischen 1991 und 2003 von 118.344 auf 130.772 (plus 10,5 Prozent). Landesweit nahm sie im gleichen Zeitraum lediglich um 6,2 Prozent zu. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sei um etwa 3,2 Prozent ebenfalls überproportional gestiegen (Rheinland-Pfalz: minus 0,2 Prozent). Die Arbeitslosenquote im AW-Kreis lag zum Jahreswechsel 2004/05 knapp unter Landes- und etwa drei Prozent unter dem Bundesschnitt. Die Zahl der Gewerbeanmeldungen überstieg an Rhein, Ahr und Brohlbach die Zahl der Abmeldungen deutlich. Große Hoffnungen setzte Pföhler in das Zusammenwirken von RheinAhrCampus, IGZ Sinzig und Innovationspark Rheinland. Mit diesem "Trio" sei eine echte "Wertschöpfungskette" geschaffen worden.

Für die Zeit nach 2004 sollte die Region Bonn/Rhein-Sieg/ Ahrweiler einen Kooperationsvertrag für Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Tourismus schließen, forderte Pföhler damals. Die Nähe des Ahr-Kreises zu Bonn mit seiner hochkarätigen Informations- und Telekommunikationsbranche müsse genutzt und der AW-Kreis an den Flughafen Köln/Bonn angebunden werden. Der RheinAhrCampus müsse noch stärker als Impulsgeber für die Boombranche Gesundheit erkannt werden. Der Neubau des Arp-Museums komme in seiner Bedeutung für den Ahrkreis dem Bau des Nürburgrings in den 1920er-Jahren gleich, meinte Pföhler.

Der Kreis Ahrweiler werde sich mit der Stadt Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis weiterhin dafür einsetzen, dass die Zukunft Bonns als Bundesstadt gesichert bleibt und die Zusagen des Berlin/Bonn-Gesetzes eingehalten werden. Diese gemeinsame Linie hätten Landrat Dr. Jürgen Pföhler und Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan in einem Gespräch bekräftigt, wie es in einer Pressemitteilung der Kreisverwaltung Ahrweiler im April 2016 hieß. „Wir alle müssen dem schleichenden Prozess der Verlagerung von Arbeitsplätzen der Bundesministerien nach Berlin entgegensteuern. Unsere Region braucht endlich Verlässlichkeit", so Pföhler. Die jüngst von der Industrie- und Handelskammer Koblenz veröffentlichte Pendlerstudie hebe die Bedeutung der Stadt Bonn mit den dortigen Ministerien und des Rhein-Sieg-Kreises für die Arbeitsplätze der Bürger im Kreis Ahrweiler hervor. Demnach pendelten 7200 Menschen aus dem AW-Kreis nach Bonn und 3000 in den Rhein-Sieg-Kreis. Sridharan, der auf Einladung des Ahrweiler Landrats zu Besuch an die Ahr kam, erklärte: „Wir werden weiterhin auf den Zusagen des Bundes bei der Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn bestehen und fordern, die Rolle Bonns als zweites politisches Zentrum im föderal strukturierten Deutschland anzuerkennen und zu stärken."[1]

Siehe auch

Mediografie

Weblinks

Fußnoten

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