Internationales Volkstums- und Trachtenfest Bad Niederbreisig

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Plakat zu einer Ausstellung im Frühling 2022 im Museum der Stadt Bad Breisig

Von 1959 bis 1964 wurden in Bad Niederbreisig internationale Volkstums- und Trachtenfeste veranstaltet.


Chronik[1][Bearbeiten]

Franz Fabritius hatte die Idee zu dem Fest mitgebracht; Heinrich Klein war sein Initiator. Von 1957 bis 1976 war Klein Gemeinde- und Amtsbürgermeister des damaligen Niederbreisig, das seit 1958 den Bad-Titel tragen durfte. Das Anliegen des Festes definierte er einmal so:

Sinn und Ziel unserer Veranstaltung ist, durch das Zusammenwirken der Vertretungen verschiedener Völker im Rahmen eines Trachtenfestes sich kennen und schätzen zu lernen und dadurch das gegenseitige Verstehen und Achten zu fördern.

Dan der Mitwirkung vieler Studenten aus dem Ausland sei es „uns möglich, Jugend aus aller Welt anzusprechen“. Gleichzeitig biete das Fest Fest „volksdeutschen Gruppen die Möglichkeit, ein besseres Verstehen auch im eigenen Raum herbeizuführen.“ So warb Klein bei Trachtenvereinen in ganz Deutschland, vor allem aber bei Universitäten und diplomatischen Vertretungen in Bonn um Teilnehmer. Für die Fest-Vorbereitung gründete er einen Ausschuss.

1959[Bearbeiten]

Das erste Fest dieser Art wurde am 27./28. Juni 1959 gefeiert. Auftakt war am Samstag, 27. Juni 1959, im Festzelt auf dem Kirmesplatz an der Grabenstraße mit Tanzdarbietungen in- und ausländischer Trachtengruppen. Höhepunkt war ein Festzug am Sonntag durch Niederbreisig. Ihm war eine Feierstunde im Park der Villa Lucia vorausgegangen, die damals als Haus der Kurgäste diente. Der Bundestagsabgeordnete Johann Peter Josten begrüßte dort als Vertreter des verhinderten Schirmherrn, des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Dr. Peter Altmeier, die Teilnehmer.

Leonhard Janta schrieb im Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2021:

Der Ansturm zum Festzug war gigantisch. Die Besucher kamen zu Fuß, reisten mit der Bahn, mit Bussen, Schiffen, der Rheinfähre zwischen Bad Hönningen und Bad Niederbreisig, aber auch mit eigenen Wagen an. Über den ganzen Ort verteilt waren Parkplätze ausgewiesen.

Der Hinweis auf eine Parkmöglichkeit in der heutigen Malteserstraße als „am ehemaligen HJ-Heim“ erscheine heute allerdings befremdlich, meint Janta. Der Zugweg führte vom Bahnhof durch Koblenzer Straße, Zehnerstraße, Rheinstraße, Rheinuferstraße, Biergasse, Bachstraße, Bufhell, Eifelstraße, Backesgasse und Mittelstraße zum Festzelt in der Grabenstraße. Dort schlossen sich Sonderveranstaltungen an. Für Ehrengäste war in der Ortsmitte eine Tribüne aufgebaut worden.

An diesem Tag wurde auch die Unterführung unter der B 9 eröffnet. Toni Ockenfels leitete den Festzug, wobei er von Mitgliedern der Karnevalsgesellschaft unterstützt wurde, die Erfahrung bei der Organisation von Umzügen hatten. Unterstützung kam außerdem von Polizei, DRK, Feuerwehr und Bundeswehrsoldaten. Zuschauer säumten dicht gedrängt den Weg, den der farbenfrohe Umzug durch das mit Fahnen geschmückte Städtchen nahm. Für das Jahr 1959 wurde deren Zahl auf bis zu 30.000 geschätzt. Im Zug gingen Trachtengruppen aus 17 Nationen sowie Tanz- und Volksgruppen aus der Region und aus ehemaligen deutschen Ostgebieten mit. Die Zahl der Aktiven addierte sich auf insgesamt etwa 1000. Unter den Teilnehmern waren, wie Leonhard Janta aufzählt:

... eine Gruppe aus Belgien, Studenten der Uni Erlangen aus Thailand, eine Abordnung aus dem früheren Mähren (CSR), Volkstanzgruppe des Eifelvereins (Ortsgruppe Bad Neuenahr), eine Lettische Vertretung, Donaudeutsche aus Ungarn und Jugoslawien, eine Volkstanzgruppe des TuS Ahrweiler, Winzer-, Trachten- und Tanzgruppen von der Mosel, Studenten aus Nationalchina, Indonesien, aus Nigeria, aber auch aus Sierra Leone (Westafrika), Trachtengruppen aus der Pfalz, jeweils eine Landsmannschaft aus Schlesien und Oberschlesien, eine Egerländer Trachtengruppe, Luxemburger, Studenten aus Griechenland, Schweden, und Norwegen, eine Tanzgruppe aus Spanien, Jugendliche aus Litauen, arabische Studenten, eine Trachtengruppe aus Indien, Square Dancers aus den USA, die Gordon High Landers aus Schottland, aber auch die junge Volkstanzgruppe des TV Bad Niederbreisig und die örtliche Junggesellen-Schützenbruderschaft mit Abordnungen von 14 Schützenvereinen der Region. Selbstverständlich gingen Musikgruppen mit: darunter der Tambourkorps Ahrweiler, Musiker aus Andernach und Sinzig, der Tambourkorps Oberbreisig und der Bläserkorps Niederbreisig.

Jede Gruppe wurde von einem Jugendlichen angekündigt, der ein Schild mit dem Namen der teilnehmenden Vereinigung oder Herkunftslandes trug. Ganz am Schluss fuhr der Wagen der Nationen, auf dem Mädchen und Frauen aller teilnehmenden Länder mitfuhren.

Pensionen und Hotels waren ausgebucht. Das Fest wurde aus dem Tourismus-Etat der Gemeinde sowie aus Zuschüssen und Spenden finanziert. An die Besucher sind Programme und im Festzug Ansteck-Bändchen verkauft worden. Für einige Veranstaltungen wurde ein Eintrittspreis erhoben. Um Kosten zu sparen, sind viele Teilnehmer bei Gastfamilien untergebracht worden. Zur Unterbringung der Gäste wurden aber auch leerstehende Gebäude genutzt, so beispielsweise die bald darauf abgerissene Villa Hermine an der Koblenzer Straße, in der Studenten übernachteten.

1960[Bearbeiten]

Für die zweite Auflage des Festes im Jahr 1960 suchten die Niederbreisiger nach einer Veranstaltungshalle, die auch für den Schulsport genutzt werden sollte. Denn eine Turnhalle gab es damals in dem Städtchen noch nicht. Die Gemeinde konnte die Halle des Remagener Hotels „Zur Waldburg“ erwerben. Die Stahlkonstruktion wurde im Park der Villa Wenté an der Koblenzer Straße aufgestellt und zur 2. Internationalen Volkstums- und Trachtenwoche als „Jahnhalle“ eingeweiht.

Die Veranstaltung, die vom 27. Juni bis 3. Juli 1960 dauerte, folgte dem Programm, das sich im Jahr zuvor bewährt hatte; allerdings gab es einige Zusatzveranstaltungen. Der rheinland-pfälzische Minister für Unterricht und Kultur, Dr. Eduard Orth, hatte die Schirmherrschaft übernommen. Die Woche wurde mit Tänzen und Sportdarbietungen in der Jahnhalle eröffnet. Mehr als 1000 Besucher wurden dort gezählt, weshalb die Halle zeitweilig wegen Überfüllung geschlossen worden ist. An den folgenden Tagen gab es u.a. einen indischen Abend und Filmabende mit Vorträgen zu Ländern, die beim Trachtenfest vertreten waren. Die Trachtengruppen unternahmen eine Dampferfahrt ins nahe Bonn, wo sie eine außenpolitische Debatte des Bundestags besuchten. Neu war ein „Fest der Alten“ aus dem gesamten Breisiger Ländchen. Bei Kaffee und Kuchen wurden die Frauen und Männer im Alter ab 70 dort mit Tanzdarbietungen unterhalten. Die evangelische und die katholische Pfarrgemeinde luden Aktive und Besucher zu Festgottesdiensten ein. Veranstaltungshöhepunkt blieb der sonntägliche Festumzug, in dem mehr als 60 Trachtengruppen und Musikkapellen aus 21 Nationen mitgingen. Die Besucherzahl wurde auf etwa 50.000 geschätzt.

1961[Bearbeiten]

Dr. Walter Schmitt, Regierungspräsident des Regierungsbezirks Koblenz war Schirmherr der 3. Internationalen Volkstums- und Trachtenwoche, die vom 29. Juni bis 2. Juli 1961 dauerte. Der Festumzug bestand diesmal aus mehr als 70 Trachtengruppen und Musikkapellen aus etwa 30 Nationen. Wegen großer Hitze - mehr als 30 Grad im Schatten wurden gemessen - kamen selbst die Teilnehmer aus Afrika ins Schwitzen, wie es in einem Zeitungsbericht hieß. Der Festumzug wurde deshalb verkürzt. Obwohl die Feuerwehr das Dach der Jahnhalle mit Wasser kühlte, gab es Kreislaufzusammenbrüche und Hitzschläge. Die in Kostüme und Fellmützen gekleideten Schottischen Highlanders erholten sich nach dem Umzug im kühlen Weinkeller des Restaurants Dinget an der Biergasse.

1962[Bearbeiten]

Schirmherr der 4. Internationalen Volkstums- und Trachtenwoche, die vom 27. Juni bis 1. Juli dauerte, war der Königlich-Thailändische Botschafter Prof. Direck Jayanama. Er ließ sich allerdings von einem Botschaftsrat vertreten. Wegen logistischer Probleme sollte das Fest eigentlich verkleinert werden. Aber es meldeten sich mehr als 60 Gruppen aus mehr als 30 Nationen an, und die Veranstalter wollten niemanden abweisen. Die Gruppen kamen u. aus Frankreich, den USA, Ungarn, Luxemburg, Griechenland, Afrika, Rumänien, Belgien, Österreich, Litauen, Bulgarien, Türkei, Estland, Kurdistan, Thailand, Holland, der Ukraine, Indien, Korea, Nigeria, Lettland, Polen, Finnland, Indonesien, Jugoslawien, Lateinamerika und Arabien. Hinzu kamen auch diesmal wieder Gruppen deutscher Landsmannschaften sowie Musikkapellen. Ein Burgfest im Zeichen von Volksgesang und Volkstanz auf Burg Rheineck wurde neu ins Programm aufgenommen. Die Besucher hatten die Möglichkeit, mit der damals noch bestehenden Sesselbahn aus dem im Tal liegenden Ort hoch auf die Burg zu fahren.

1963[Bearbeiten]

Die 5. Internationale Volkstums- und Trachtenwoche, die vom 2. bis 7. Juli 1963 dauerte, stand unter der Schirmherrschaft des französischen Botschafters in Deutschland, Monsieur Roland Margerie, der allerdings von seinem Kulturattaché Pierre Moisy vertreten wurde. Zum Programm zählten anspruchsvolle Vorträge und Podiumsdiskussionen zu Themen wie „Europa und die Entwicklungsländer“ und „Europäische Einigung und atlantische Partnerschaft“. Auf Burg Rheineck wurden den Gästen Lieder und Tänze aus aller Welt geboten. Ein Höhepunkt der Festwoche war ein deutsch-französischer Freundschaftsabend, zu dem Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle Grußtelegramme sandten. An der Marienstraße wurde 1963 ein mehrwöchtiges internationales Jugendlager mit Jugendlichen aus aller Welt veranstaltet, an dem vor allem Studenten teilnahmen. Völkerverbindendes Kennenlernen, gemeinsames Feiern und Gedankenaustausch waren die Ziele dieses Lagers, das im Folgejahr seine zweite Auflage erlebte. Nachdem Ende der Trachtenfese wurden die Jugendlager als Sommercamps beibehalten. Aus diesem Zeltlager ging später das Freizeitpädagogische Zentrum „Eifeldorf“ hervor.

1964[Bearbeiten]

Mit der 6. Internationalen Volkstums- und Trachtenwoche vom 2. bis 5. Juli 1964, die unter der Schirmherrschaft des Botschafters von Kamerun A.-Raymond N’Thépé stand, endete diese Veranstaltungsreihe. Thematisches Zentrum war in diesem Jahr die Verbindung von Deutschland, Europa und Afrika. Deshalb nahmen mehrere afrikanische Gruppen in Niederbreisig teil. Und Lydia Ewandé trat mit ihrem Ensemble auf. Die aus Kamerun stammende und aus Paris angereiste Sängerin war durch Filmauftritte bekannt geworden. Deutsche, europäische und afrikanische Jugendliche waren beim Abend der Jugend in die Jahnhalle und zum 2. Internationalen Jugendlager eingeladen. Leonhard Janta berichtet:

Zum weiteren Programm gehörte eine Dichterlesung unter dem Motto „Heimatschrifttum am Rhein“, das mit Werken der damals schon weitgehend in Vergessenheit geratenen Autoren Heinrich Lersch, Jakob Kneip, Alfons Paquet und Max Barthel rückwärtsgewandt erscheint. Grund für diese Auswahl war wohl die Tatsache, dass der als „Arbeiterdichter“ bekannte Max Barthel in Bad Niederbreisig lebte. Das Programm enthielt auch anspruchsvolle Vorträge zu Afrika und zur Entwicklungshilfe.

Einen Festzug gab es schon 1964 nicht mehr.

Fazit[Bearbeiten]

Dafür, dass die fröhlichen und farbenprächtigen Volkstums- und Trachtenfeste in Niederbreisig nicht fortgeführt oder später wieder aufgelegt wurden, nennt Leonhard Janta mehrere mögliche Gründe:

  • Die Aufwendungen für die Durchführung der Feste hätten auf Dauer die finanziellen Möglichkeiten des Kurorts überfordert. „Schon die Ausgaben für die Unterbringung der Teilnehmer und die für den Festzug anfallenden Kosten wurden von den Einnahmen nicht gedeckt“, schreibt er, „die Spenden gingen zurück.“
  • Der Höhepunkt der Volkstums- und Trachtenfeste sei wohl bereits 1963 überschritten worden. Die zunächst rein folkloristische Ausrichtung der Veranstaltung sollte erweitert werden. „Übersehen wurde dabei, dass gerade die folkloristischen Veranstaltungen die Massen nach Bad Niederbreisig zogen“, schreibt Janta, „mit anspruchsvollen Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Lesungen und sonstigen Darbietungen konnte man dagegen nur ein kleines Publikum erreichen, traf aber nicht mehr den breiten Publikumsgeschmack.“ Deshalb hätten die Feste an Attraktivität verloren.
  • Ein weiteres Problem sei bereits ab der zweiten Auflage die Größe des Festes gewesen. „Seine Vorbereitung band monatelang viele Kräfte in der Verwaltung und im Verkehrsamt“, so Janta, „von dem rührigen Festausschuss und der großen Zahl ehrenamtlicher Kräfte ganz zu schweigen.“ Die Vielzahl der Einzelveranstaltungen habe nicht nur die finanziellen, sondern auch die personellen und organisatorischen Möglichkeiten des Kurorts überfordert. „Was bleibt, sind viele wehmütige Erinnerungen an diese herausragenden Feste in der Blütezeit des Kurortes Bad Niederbreisig“, schließt Janta.

Mediografie[Bearbeiten]

Fußnoten