Synagoge Ahrweiler

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Annemarie Müller-Feldmann in der heute nicht mehr vorhandenen Bibliothek der Synagoge.
Klaus Liewald in der Synagoge Ahrweiler.
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Das in der Synagoge hängende Gemälde Glaubensweg ist ein Geschenk von Angelika Castelli an den Bürgerverein Synagoge.
Matthias Bertram bei der Vorstellung seines Buches ... in einem anderen Lande - Geschichte, Leben und Lebenswege von Juden im Rheinland im Herbst 2015 in der ehemaligen Synagoge Ahrweiler.
Diese Anthologie enthält einen Beitrag von Franz Scholles zur Pogromnacht in der ehemaligen Synagoge von Ahrweiler.
Planskizze der Straßenfront
Planskizze der Nordfassade

Die Gebäude der ehemaligen Synagoge Ahrweiler und der ehemaligen Synagoge Niederzissen sind die einzigen heute noch erhalten Synagogenbauten im Kreis Ahrweiler. Der kleine Saalbau in Ahrweiler wurde 1894 nach Plänen des Remagener Architekten Jakob Nicolaus Gronert im maurischen Stil in Sichtmauerwerk errichtet. Die jüdische Gemeinde Ahrweiler hatte sich für einen orientalisch inspirierten Baustil entschieden, um sich von der neuromanischen und neogotischen Formensprache der christlichen Kirchen dieser Zeit zu unterscheiden. Kennzeichnend für diesen Baustil sind die Hufeisenbögen der Fenster und die Giebelbekrönung in Gestalt von zwei Gesetzestafeln. Am 21. Oktober 1894 wurde die Synagoge eingeweiht; in der Pogromnacht 1938 ist sie verwüstet und gebrandschatzt worden. Seit 1942 gibt es in Ahrweiler keine jüdische Gemeinde mehr. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude als Lagerraum für Dünger u.ä. zweckentfremdet; deshalb ist das Gebäude in der Bevölkerung auch „Düngerkirche“ genannt worden. Bei der Wiederherstellung durch den Bürgerverein Synagoge Bad Neuenahr-Ahrweiler, der das Gebäude 1981 erwarb und in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und unter besonderer Berücksichtigung der ursprünglichen Malerei und Farbgebung aufwändig renovieren ließ, wurde auch die Schablonenmalerei im oberen Bereich wiederhergestellt. Heute dient das ehemalige jüdische Gotteshaus als Kulturzentrum.[1]


Anschrift und Standort[Bearbeiten]

Altenbaustraße 12a

53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler (Stadtteil Ahrweiler)

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Gestaltung[Bearbeiten]

Die Synagoge wurde in einer Reihe mit gleich hohen Nachbarhäusern aus bräunlichem Sandstein gebaut. Auffallend sind die drei zur Altenbaustraße hin gelegenen maurisch (neuorientalisch) gestalteten hohen Fenster der Giebelseite mit Hufeisenbögen. Der Giebel wird von den Gesetzestafeln bekrönt, auf denen in hebräischer Schrift die Anfangsbuchstaben der Zehn Gebote eingemeißelt sind. Südlich des Hauptgebäudes befindet sich ein von der Straße nicht zu sehender Anbau, der einen Unterrichtsraum beherbergte und das Treppenhaus als Zugang zur Frauenempore. Der Haupteingang für die Männer befand sich an der Westseite, sodass jeder dort Eintretende im Gottesdienstraum von Westen nach Osten geführt wurde. Das Gebäude hat eine Grundfläche von 11,5 mal 9 Metern. Die blau ausgemalte Decke mit aufgemalten goldenen Sternen als Verzierung, heute nahezu vollständig erneuert, wie auch der von außen erkennbare neuorientalische Stil zeugen vom einstigen Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinde.

Chronik[Bearbeiten]

Juden sind in Ahrweiler seit 1292 nachgewiesen. Ähnlich wie die Lombarden, genossen sie innerhalb der Stadtmauern einen besonderen Schutz.

Einen Betraum für Juden gab es in Ahrweiler nachweislich bereits 1773 in einem Kellersystem der Häuser 56-68 an der Niederhutstraße. Davon zeugt eine erst ca. 1994 im Düsseldorfer Hauptstaatsarchiv gefundene Akte. Mehrere Jahrzehnte lang diente dieser Raum als Betraum; dann aber gingen die Ahrweiler Juden nach Dernau, denn dort war um 1796 ein Betraum eingerichtet worden. Um 1844 bekamen die Ahrweiler Juden wieder eine eigene Betstube an der Plätzerstraße, die bis zur Fertigstellung der Synagoge an der Altenbaustraße im Jahr 1894 für gottesdienstliche Versammlungen genutzt wurde. Die Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinde Ahrweiler war nämlich bis 1875 auf 79 wahlberechtigte Personen, d.h. ohne Frauen und minderjährige Knaben, angewachsen. Der jüdische Betraum in der Plätzerstraße war deshalb zu klein geworden. Weil das Haus, in dem sich ab Beginn des 19. Jahrhunderts der jüdische Betsaal befand, 1886 verkauft wurde und der neue Besitzer der jüdischen Gemeinde eine Frist von fünf Jahren einräumte, sich einen neuen Betraum zu suchen, machte sich die Gemeinde auf die Suche nach einer Lösung. Leopold Heymann, ein Mitglied der jüdischen Gemeinde Bad Neuenahr, verkaufte der jüdischen Gemeinde Ahrweiler für 2700 Mark das 285 Quadratmeter große Grundstück an der Altenbaustraße. Den alternativen Standort vor dem Niedertor, dort, wo sich heute die Hauptstelle der Kreissparkasse Ahrweiler befindet, hatte die jüdische Gemeinde verworfen. Der Architekt Jakob Nicolaus Gronert aus Remagen wurde beauftragt, Pläne für die neue Synagoge zu entwerfen, die im Rahmen der 10.000 Mark zu verwirklichen waren. Die Hälfte der Bausumme musste durch ein Darlehen finanziert werden.

Nach nur einem Jahr Bauzeit wurde die neue Synagoge am 21. Oktober 1894 eingeweiht. Anlässlich des 120. Jahrestages der Einweihung der Synagoge im Jahr 2014 gab die Rhein-Zeitung am 18. Oktober 2014 einen Beitrag aus der Ahrweiler Zeitung zur Eröffnung der Synagoge wieder:

Flaggenschmuck an den Häusern in Ahrweiler, insbesondere denen der jüdischen Mitbürger, kündigte am 21. Oktober 1894 ein besonderes Ereignis an: Die Einweihung der neuen Gottesdienst- und Schulhauses der jüdischen Gemeinde in der Altenbaustraße, direkt gegenüber dem Weißen Turm. Über drei Tage ging das Festprogramm und die Bevölkerung nahm großen Anteil an der Eröffnung ... Sogar das Musikcorps des Rheinischen Pionierbataillons Nr. 8 aus Koblenz war gekommen, die Thorarollen aus dem bisherigen Betraum feierlich in die neue Synagoge zu begleiten.[2]

Allerdings feierten nicht alle mit: Bürgermeister Dr. Wilhelm Kerckhoff und der Klerus blieben der Veranstaltung fern. So war es an Carl von Ehrenwall, dem Beigeordnetem der Stadt Ahrweiler, den Schlüssel zur Synagoge nach der Thora-Prozession von Berta Levy stellvertretend in Empfang zu nehmen – mit dem Hinweis, dass die neue Synagoge unter städtischer Obhut sicher sei. Der Rabbiner Laser Weingarten aus Bad Ems hielt die Einweihungsansprache. 10.000 Reichsmark hatte sie sich die Synagoge kosten lassen. Der Remagener Architekt Jakob Nicolaus Gronert entwarf den Bau. Stilistisch orientierte er sich an der 1866 in Berlin erbauten großen Synagoge. Dem entsprechen die Rundbögen der Fenster sowie die Orientierung des Raumes zum Thoraschrein an der Ostseite.[3]

Am Vormittag des 10. November 1938 wurde die Synagoge von SA-Männern geschändet. Sie schlugen die Fenster ein und warfen die Bänke um. Kultgegenstände, Bücher und Schriftstücke sowie Teile der Inneneinrichtung trugen sie nach draußen, wo sie sie auf einen Haufen warfen und anzündeten.

Im General-Anzeiger vom 9. November 2011 beschrieb Günther Schmitt die Ereignisse in der Pogromnacht folgendermaßen:

Am späten Abend des 9. November 1938 stürmte ein SA-Trupp die Wohnung des Weinhändlers Herbert Baer. Er wurde misshandelt, in seinem Weinkeller veranstaltete die SA ein Zechgelage. Am nächsten Morgen brachen SA-Leute die Synagoge an der Altenbaustraße auf, verwüsteten den Innenraum, warfen die Thorarolle und Gebetbücher auf die Straße und legten Feuer. In der Volksschule wurde der Unterricht unterbrochen. Zeitzeugen berichten von einem Lehrer, der angesichts der brennenden Synagoge ausrief: „Das ist der schönste Tag in meinem Leben.“ Wie durch ein Wunder blieb die Synagoge stehen.

Die Rhein-Zeitung berichtete am 8. November 2013:

In der "Ahrweiler Zeitung hieß es am 12. November 1938 ...: „In unserem Kreisgebiet kam es am Donnerstag und in der folgenden Nacht zu spontanen antijüdischen Kundgebungen. Die Erbitterung der erregten Menge richtete sich gegen jüdische Geschäfte und Gebäude.“ Was in dem Bericht folgt, sind lediglich ... weitere Beschimpfungen der Juden. Im Buch "Kreis Ahrweiler unter dem Hakenkreuz" ist die Szene in Ahrweiler wie folgt beschrieben: „Am Morgen des 10. November fuhr in der Altenbaustraße ein Lastwagen mit SA-Männern vor. Die Synagoge wurde gewaltsam aufgebrochen. Der Trupp stürmte mit einem Geschrei ins Innere. Drinnen wurden die Bänke umgeworfen, die Fensterscheiben eingeworfen, das Lesepult für den Vorbeter umgestürzt. Die Bodenteppiche schleppte man nach draußen, ebenso die Thorarolle und andere Schriftstücke wie Gebetbücher. Vor dem Portal wurden sie angezündet. Danach legte man Feuer in der Synagoge selber.“ Die Feuerwehr rückte an, löschte aber nicht die Synagoge, sondern schützte lediglich die Nachbarhäuser vor den Flammen. Der Innenraum brannte völlig aus. Die Grundmauern blieben aber stehen und wurden später, als man sich der Barbarei bewusst wurde und sich dessen schämte, im wesentlichen unverändert für den Wiederaufbau genutzt.[4]

Der General-Anzeiger berichtete am 12. November 2013:

Dass es in Ahrweiler nicht zu noch größeren Ausschreitungen kam, wird übrigens darauf zurückgeführt, dass ehemals aktive Linke unter Führung eines Kommunisten die SA in eine massive Straßenschlacht verwickelten und der nicht gerade großen braunen Truppe kein Freiraum für weitere Verwüstungen blieb.[5]

Nach dem Brand in der Reichspogromnacht 1938 gab es keine jüdische Gemeinde mehr, die einen Wiederaufbau hätte betreiben können. Viele Juden zogen aus Ahrweiler fort. Und die wenigen, die blieben, wurden deportiert und in Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet. Eine jüdische Gemeinde, die in der Altenbaustraße regelmäßig ihre Gottesdienste abhält, gibt es seitdem in Ahrweiler nicht mehr.

Am 2. Juni 1939 wurde die Synagoge an einen Geschäftsmann verkauft. Er ließ das Gebäude jedoch leer stehen und plante eine Nutzung erst für die Zeit nach dem Krieg. Beim Einmarsch der amerikanischen Besatzungstruppen im März 1945 wurde das Gebäude enteignet, und es wurde verfügt, dass das bei dem Bombenangriff auf Ahrweiler am 29. Januar 1945 beschädigte Dach ausgebessert, der Innenraum getüncht und Fenster wie Türen abgedichtet werden. Amerikanische Soldaten feierten mit einem Militärrabbiner in dem Gebäude einen Gottesdienst.

Nach Abschluss des Rückgabeverfahrens wurde das Gebäude 1955 an eine Raiffeisengenossenschaft verkauft, die in dem Gebäude ein Warenlager mit einem Verkaufsraum für Düngemittel, Feld-, Winzer- und Gartengeräte eröffnete. Eingang und Innenraum wurden dazu baulich verändert. Im Volksmund wird die ehemalige Synagoge deshalb noch heute manchmal „Düngerkirche“ genannt.

Eine Gruppe Jugendlicher forderte 1976 nach ihrer Rückkehr von einer Israel-Reise in einem Brief an die Stadtverwaltung die Umwandlung der alten Synagoge in eine Gedenk- und Kulturstätte. Damit wurde eine Diskussion ausgelöst, die 1977/78 zu Beschlüssen im Stadtrat führten, die Synagoge zu erhalten. Nach langen Verhandlungen ist 1981 der zwischenzeitlich gegründete Bürgerverein Synagoge Bad Neuenahr-Ahrweiler Eigentümer des Synagogengebäudes geworden, das 1982 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Von 1981 bis 1990 renovierte der Bürgerverein das Gebäude in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz und richtete es als museale Kulturstätte und für kulturelle Veranstaltungen ein. Dabei wurde innen wie außen der ursprüngliche Zustand des Gebäudes weitgehend wiederhergestellt. Mit einem Festakt ist am 27. Mai 1990 der Abschluss der Renovierungsarbeiten gefeiert worden.

Seitdem wird das Gebäude für Konzerte, Lesungen, Vorträge und Kunstausstellungen genutzt. Außerdem beheimatet es eine Dauerausstellung zur Geschichte der Synagoge und der jüdischen Gemeinde Ahrweiler.

Bis nach dem Ahr-Hochwasser vom 14./15. Juli 2021 befand sich in der Synagoge eine Bibliothek mit mehr als 1000 Büchern zum Judentum, zu Orten jüdischen Lebens und zu jüdischer Literatur, Biographien, hebräische Literatur, Juden und Christen, jüdische Kunst und Israel. In einer Vitrine in der Toranische befindet sich der originale Tora-Vorhang (Parochet) aus der Synagoge. Ein Frankfurter Antiquitätenhändler hatte ihn 1989 an die Stadtverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler geschickt. Der Vorhang wurde unter Verwendung traditioneller Symbole (Torakrone, Löwen, Buchstaben K und T für Keter Tora=Torakrone) kunstvoll gestaltet. Er war ein Geschenk von jüdischen Kurgästen von 1881/82. Aufgrund der Jahreszahl hing er wohl bereits in dem alten Betsaal an der Plätzerstraße. Der Vorhang, der zu sehen ist, trägt folgende Inschrift:

Dieser Vorhang wurde von den heiligen Spenden angefertigt, die für den Ewigen großzügig entgegengebracht wurden, von denjenigen, die hierher nach Ahrweiler kamen, um Genesung von ihren Leiden zu erfahren. Im Jahre 5642 (= 1881/82).

„Sollte es je wieder eine jüdische Gemeinde im Ahrtal geben, würde die Synagoge wieder das sein können, was sie einmal war: Ein Haus der Zusammenkunft und des Gottesdienstes“, heißt es auf der Homepage des Bürgervereins Synagoge.

Das Ahr-Hochwasser vom 14./15. Juli 2021 zog auch das ehemalige Synagogengebäude in Mitleidenschaft.

Siehe auch[Bearbeiten]

Video[Bearbeiten]

Mediografie[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]

Fußnoten

  1. Quelle: Malerwerkstatt in Ahrweiler, Kostbarkeit in Königsfeld, Fliesen in Sinzig - Tag des offenen Denkmals mit buntem Motto: „Farbe“ - Führungen durch historische Bauwerke im AW-Kreis, Pressemitteilung der Kreisverwaltung Ahrweiler vom 29. August 2014
  2. Quelle: Jochen Tarrach: Vor 120 Jahren: Synagoge in Ahrweiler eröffnet - Anfangs war das Verhältnis der jüdischen Gemeinde zu Mitbürgern harmonisch, in: Rhein-Zeitung vom 18. Oktober 2014
  3. Quelle: Synagoge in Ahrweiler: Die Einweihung fand vor 120 Jahren statt, general-anzeiger-bonn.de vom 21. Oktober 2014
  4. Quelle: Jochen Tarrach: Mit einem Konzert wird der Pogromnacht gedacht - Ehemalige Synagoge in Ahrweiler ist heute ein Mahnmal gegen Unfreiheit und Gewaltherrschaft, in: Rhein-Zeitung vom 8. November 2013
  5. Quelle: Gedenken an die Pogromnacht: Ahrweiler Bürgerverein Synagoge ruft zur Teilnahme am Demokratiefest in Remagen auf, general-anzeiger-bonn.de vom 12. November 2013